Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 223 - Jahrmärkte dienten nicht nur der Geschäftsabwicklung und des Zahlungsausgleiches, son- dern auch der Pflege von Kontakten. Im April 1806 hatte Josef von Koller eine Einladung von Jakob Klinger und seinem Weibchen in Wien erhalten, ihn am bevorstehenden Jubilatemarkt mit Dach und Fach [zu] bewürthen . Klinger drückte aus, welch Ehre Kollers Besuch für ihn darstellen würde und dass er gekränkt wäre, wenn er zwar seinem Kompagnon Herrn Schinnern einen Besuch abstatten würde, aber nicht ihm. 1269 Franz Xaver Edler von Schinnern und Jakob Klinger standen hinter dem Wiener Großhandelshaus, welches unter der Raggion Schinnern & Klinger seine Niederlage am Petersplatz hatte. 1270 Die Großhandelsleute tauchen mehrmals im Kontext von Wechselgeschäften in den Quellen auf, z. B. als die Firma Josef Maria Auchent- haller in Trient 1808 zur Begleichung ihrer Rechnung einen Wechsel über 223 Gulden Wiener Währung auf Schinnern & Klinger an Josef von Koller schickte. Dies kam einer bargeldlosen Überweisung des Geldes von Trient nach Wien gleich, von wo sich Koller das Geld abholen konnte. 1271 Ein anderes Mal beauftragte Koller die beiden Wiener damit, drei Stück wollenes Cammelotti 1272 zu kaufen. 1273 Es dürfte im Zuge von Jahrmarktsbesuchen also auch üblich ge- wesen sein, die in der fremden Stadt niedergelassenen Geschäftspartner/-innen zu besuchen. Kaufleute zogen das persönliche Zusammentreffen der bloßen schriftlichen Korrespondenz vor, denn durch die direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ließen sich oft mehr Infor- mationen gewinnen als durch den ausschließlichen Austausch auf Papier. Mit dem Besuch von Märkten und Messen verbunden war also die Kontaktaufnahme mit Käufern/-innen und Liefe- ranten/-innen, wobei umgekehrt die auf den Märkten und Messen persönlich geschlossenen Beziehungen durch schriftliche Korrespondenz gepflegt wurden. 1274 Wenn sich im Koller-Archiv auch nur aus dem Jahr 1806 eindeutige Nachweise des Besuchs der Wiener Jahrmärkte finden ließen, wissen wir aus anderen Quellen, dass das Handelshaus Johann Josef Koller sel. Witwe & Erben aus Steyr noch im Jahr 1835 die Wiener Jahrmärkte besuchte und seine Eisenwaren nach wie vor in seiner Hütte am Hohen Markt verkaufte. 1275 Mit der Verbesserung des Verkehrs und der Kommunikation sowie mit der zunehmenden Vereinheitlichung der (industriell gefertigten) Güter, verloren die klassischen Warenmessen 1269 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wien (16.4.1806), Kasten XII, L3/4 FXXI 1–142 Nr. 61. 1270 Anton R EDL , Kalender und Handlungsgremien-Schema der k. auch k. k. Haupt- und Residenz Stadt Wien für das Jahr 1805, Wien 1805, 19. 1271 StA Steyr, Zirkular aus Trient (20.5.1808), Kasten XII, L4/4 FIII 1–105 Nr. 49. 1272 Leichter, leinwandartig gewebter Stoff aus Angorawolle, der zum Teil mit Seide gemischt, einfarbig und me- liert hergestellt wird; siehe Meyers, Bd. 6, Sp. 507 f. 1273 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wien (16.6.1806), Kasten XII, L3/4 FXXI 1–142 Nr. 64. 1274 S CHWANKE , Corespondenz, 614. 1275 Franz B. F RAY , Allgemeiner Handlungs-Gremial-Almanach für den oesterreichischen Kaiserstaat. Bd. 2, Wien 1835, 212. Kontaktpflege 1835: Koller noch in Wien Von der Waren- zur Mustermesse
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