Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 210 - zentrale Absatzinstrumente ableiten, welcher sich die Koller-Kaufleute bedienten: das Bezugs- system der Meisterzeichen, der Jahrmarktsverkauf, die Musterversendung sowie die Einschal- tung vermittelnder Kommissions- und Speditionshäuser. 3.4.2.1 Meisterzeichen und Marken Ein ganz wesentliches Element für den Erfolg der Eisenwaren aus den Eisenwurzen im Export stellte die Wiedererkennbarkeit der qualitativ hochwertigen Artikel anhand ihrer Meisterzei- chen dar. Seit dem 14. Jahrhundert setzten sie sich in allen Handwerken durch, in denen es technisch möglich war, die Zeichen der Meister anzubringen. Sie hatten zwei Funktionen: die Kontrollfunktion und die Vertrauens- und Garantiefunktion – die Zeichen erlaubten es, die Her- steller/-innen zu ermitteln und standen für eine gewisse Qualität ein, woraus sich ein Marken- bewusstsein entwickelte. Das Zeichen des Meisters wurde dabei nach der bestandenen Prüfung durch beeidete Beschauer durch das Zeichen der Stadt ergänzt. 1204 Die Kontrollfunktion der Zeichen im Eisenwesen umfasste neben der Nachverfolgbarkeit zum Hersteller (z. B. bei Re- klamation) außerdem die Kontrolle des Straßenzwanges. Darüber hinaus waren die Zeichen Orientierungshilfe beim Kauf von Waren, deren Qualität erst bei der Anwendung zu überprüfen war (z. B. bei Sensen). Gute Produkte wurden mit ihren Zeichen assoziiert und auch von lese- unkundigen Bevölkerungsgruppen erkannt. Im Handel erleichterte das Markenwesen außerdem den Bestellvorgang, als die Bedeutung von Jahrmärkten und Messen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück ging und Geschäfte zunehmend schriftlich verhandelt und abgeschlos- sen wurden. 1205 Schließlich entwickelten sich die Meisterzeichen zu einem Qualitätskriterium, das dem einer „Marke“ gleichkam. Vor allem im Fernhandel hing der Erfolg von Gewerbeer- zeugnissen von einer angesehenen Herkunftsmarke ab: Müsste sich jeder an einem Fernhan- delsgeschäft Beteiligte von der Qualität der Handelsware persönlich überzeugen, würden die dafür anfallenden Informationskosten ins Unermessliche steigen. Gab es jedoch eine Marke, die von den Beteiligten erkannt wurde und die für eine gewisse Qualität einstand, erübrigte sich zumindest ein Teil der Qualitätsprüfung und das Geschäft konnte dadurch schneller abgewi- ckelt werden. „[…] die Reputation einer Marke trug somit zu einer erheblichen Einsparung von Transaktionskosten bei.“ 1206 1204 R EITH , Qualität, 134. 1205 C ORRADINI , Meisterzeichen, 185; Doris C ORRADINI , „Die schlechtesten Früchte sind es nicht, an denen die Wespen nagen.“ Die Markenbeischläge der Kirchdorf-Micheldorfer Sensenindustrie mit Beispielen aus dem 18. Jahrhundert, in: Rudolf Kropf, Hg., Sensen, Schmiede, Kultur: Sensenschmiedemuseum Micheldorf, Linz 1998, 41–53, hier 42. 1206 P FISTER , Kaufsystem, 515. Meisterzeichen als „Marke“

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