Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 209 - Die überlieferten Quellen geben leider keinen Hinweis darauf, für welche Orte die Waren der Koller-Kaufleute letztendlich bestimmt waren. Nur in vereinzelten Fällen gibt es Hinweise auf den weiteren Weg der Waren: Als die Firma Mayolische Erben aus Brescia im Februar 1723 zwei Fässer Geschmeide bei Johann Josef Koller bestellte, gab diese an, die Waren am Markt von Senigaglia verkaufen zu wollen, weshalb sie die Lieferung bis spätestens 25. Juni in Vene- dig benötigten. Auch Giovanni Battista Sola aus Venedig hatte bei Koller Geschmeide bestellt, welches für den Markt in Sinigaglia bestimmt war. 1199 Da sich im Juli 1723 der gute Geschäfts- freund Johann Josef Kollers, Giovanni Pietro Ucelli, auf dem Jahrmarkt in Senigallia aufhielt, ist es wahrscheinlich, dass auch er Kollers Waren dort auf den Markt brachte. 1200 Senegallia in der Provinz Marken war einst eine berühmte Messestadt gewesen, die an der Mündung der Misa in die Adria liegt. Die Freimesse („fiera franca“), 1201 die zwischen 20. Juli und 8. August abge- halten wurde, zog Besucher aus Griechenland, den ionischen Inseln, der Levante, aus England, Frankreich, Österreich, Schweiz, Amerika und weiteren Ländern an. Zur Mitte des 19. Jahrhun- derts war die Stadt in ihrer Bedeutung als Messeort bereits herabgesunken und die wichtigsten Messeartikel waren Bekleidungsstoffe. 1202 In Pierers Universal-Lexikon wird der dortige Jahr- markt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts jedoch immer noch als „eine große Messe, die berühmteste in Italien, mit unbeschränkter Handelsfreiheit“ beschrieben. 1203 Da die Koller nachweislich an Personen verkauften, die den Jahrmarkt von Senigallia besuchten, besteht auch hier die Möglichkeit, dass die Waren aus Steyr auf diesem Weg weiter in die ganze Welt ge- langten. 3.4.2 Absatzinstrumente Wie wussten die Interessenten/-innen innerhalb eines derart ausgedehnten Absatzgebietes, wel- ches sich zwischen Amsterdam, Brody, Konstantinopel, Izmir, Palermo, Albi und Paris er- streckte, welche Waren die Koller in Steyr in ihrem Sortiment führten bzw. welche sie beschaf- fen konnten? Welche Mittel standen einem Einzelunternehmen von mittlerer Größe im 18. und 19. Jahrhundert zur Verfügung, um potentielle Abnehmer/-innen zu erreichen und ihnen ihre Waren feilzubieten? Aus der Analyse der überlieferten Geschäftsunterlagen ließen sich vier 1199 StA Steyr, Briefkopierbuch (1723), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 3, fol. 3. 1200 StA Steyr, Briefkopierbuch (Juni bis August 1723), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 4, fol. 15. 1201 Für den dortigen Verkauf bestimmte Güter durften abgabenfrei zur Messe gebracht und noch bis einen Monat nach der Messe abgabenfrei ausgeführt werden. 1202 Christian N OBACK / Friedrich N OBACK , Vollständiges Taschenbuch der Münz-, Maass- und Gewichts-Ver- hältnisse, der Staatspapiere, des Wechsels- und Bankwesens und der Usanzen aller Länder und Handelsplätze. Zweite Abtheilung: Petersburg–Zwoll. Nachträge: Alessandria–Zürich, Leipzig 1851, 1123. 1203 Heinrich August P IERER , Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart. Oder neuestes encyclopädi- sches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Bd. 16: Sicilien–Stückgesell, 4. Auflage, 19 Bde., Altenburg 1863, 128. Senigallia

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