Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 21 - Definitionen geben kann, z. B. „Regionalhandel“ oder „Fernhandel“. Stattdessen müssen sol- che Begriffsbestimmungen für das jeweilige Fallbeispiel „im Hinblick auf bestimmte Frage- stellungen“ gefunden werden, die auch nur dort Gültigkeit haben. 37 Dennoch ist es nötig bei derartigen Definitionen um Vergleichbarkeit bemüht zu sein, damit Forschungsergebnisse ein- geordnet und verglichen werden können. So verstand z. B. Hermann Kellenbenz für seine Un- tersuchung der süddeutschen Wirtschaft von der Mitte des 17. bis zum 18. Jahrhundert unter Lokalhandel den Bereich einer Stadt plus ihrer Bannmeile, unter Regionalhandel den Waren- umschlag bis zu einer Reichweite von 100 Kilometern und unter Fernhandel alles, was über 400 Kilometer hinausging. 38 Er folgte damit der Auffassung Herbert Hassingers, der zwischen 100 und 400 Kilometern vom Handel mittlerer Reichweite sprach. 39 Auf diese Entfernungen konnten bis zum Ende des Alten Reiches die wichtigen Massengüter Salz, billiger Wein und Getreide „ohne übersteigerte Kosten befördert“ werden. 40 Auch Christina Dalhede legte die Begriffe Lokal-, Regional- und Fernhandel anhand ähnlicher Parameter fest und kam damit auf eigene, auf ihr Forschungsthema zugeschnittene Definitionen: Der Lokalhandel war bei ihr auf einen Umkreis von bis zu 30 Kilometern beschränkt, was das Umland der von ihr untersuchten Stadt Göteborg, die Küstenfahrt, die „Landgüter der Städte und gewisser Stadtbewohner“ und die Nachbarstädte mit einschloss: Unter Regionalhandel verstand sie den Binnenhandel, der sich in einem Radius zwischen 30 und 600 Kilometern abspielte, während sie Fernhandel im Sinne von Außenhandel verwendete, der im Falle Schwedens meistens Seehandel war. 41 Für vorliegendes Fallbeispiel wurden zum Bereich des Lokalhandels alle Geschäftspartner/ -innen gezählt, die in Steyr und bis zu drei Kilometern Luftlinie außerhalb der Stadt ansässig waren, sodass auch die Vorstädte und angrenzenden Gemeinden miteinbezogen wurden. Spiel- ten sich Geschäfte zwischen vier und 150 Kilometern rund um Steyr ab, wurden sie zum Regi- onalhandel gezählt. Die 150 Kilometer entsprechen dabei der Strecke Steyr–Wien (Luftlinie) 37 Hans P OHL , Einführung, in: Hans Pohl, Hg., Gewerbe- und Industrielandschaften vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte 78), Stuttgart 1986, 7–15, hier 14. 38 Hermann K ELLENBENZ , Süddeutsche Wirtschaft im Netz regionaler und überregionaler Verflechtungen – zwi- schen Westfälischem Frieden und Französischer Revolution, in: Joachim Jahn, Hg., Gewerbe und Handel vor der Industrialisierung: Regionale und überregionale Verflechtungen im 17. und 18. Jahrhundert (Regio historica 1), Sigmaringendorf 1991, 9–26, hier 12. 39 Herbert H ASSINGER , Der Verkehr über Brenner und Reschen vom Ende des 13. bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Ernest Troger, Hg., Neue Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols. Festschrift für Univ.-Prof. Dr. Franz Huter anläßlich der Vollendung des 70. Lebensjahres. Erster Teil (Tiroler Wirtschaftsstudien 263), 2 Bde., Innsbruck / München 1969, 137–194. 40 Hermann K ELLENBENZ , Wirtschaft und Gesellschaft Europas 1350–1650, in: Hermann Kellenbenz, Hg., Hand- buch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Bd. 3: Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte vom ausgehenden Mittelalter bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. 6 Bde., Stuttgart 1993, 1–387, hier 232. 41 Christina D ALHEDE , Der Standort Göteborg 1649–1700. Eine Fallstudie zum Fern-, Regional- und Lokalhandel in Schweden auf der Grundlage der Tolags- und Handelsjournale, in: Mark Häberlein, Hg., Praktiken des Handels: Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und früher Neuzeit, Konstanz 2010, 99– 126, hier 101. Verwendete Definitionen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2