Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 202 - Gegenreformation die kapitalkräftigen protestantischen Kaufleute zur Abwanderung zwang. Die Wirren in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts führten zu einer Lockerung der Handels- disziplin, die nur mehr schwer zu kontrollieren war – erst der Westfälische Frieden sorgte für eine Wiederbelebung des Warenaustausches. 1160 Danach betätigten sich vermehrt bürgerliche Kaufleute im Italienhandel, der bis zur Vertreibung der Protestanten/-innen in den Händen der Nobilität lag. 1161 Unter Kaiser Karl VI., der die Hafenstädte Triest und Fiume 1719 privilegie- ren und ausbauen ließ, ging der Handel Steyrs mit Venedig zugunsten der neuen Freihäfen all- mählich zurück. 1162 Zwar erlebte die „Serenissima“ ab den 1760er Jahren „einen ungeahnten Aufschwung“, jedoch bedeutete dieser „zugleich seine letzte Blüte.“ Trotz der neuen Konkur- renz spielte Venedig weiterhin eine große Rolle im Zwischenhandel mit halbfeinen Tüchern aus Frankreich, England und Holland, Leingewändern und den sogenannten „Nürnberger Wa- ren“ aus Flandern und Deutschland, Schachteln und Holzarbeiten aus dem Reich, Eisen und Stahl aus Österreich, roher und gesponnener Baum- und Schafwolle, Häuten, Öl, Kaffee, Dro- geriewaren aus der Levante oder – mittlerweile – eigenen, venezianischen Erzeugnissen (z. B. Reis, Rohseide, Kristalle, Spiegel, Fenstergläser, Glasarbeiten, Papier, Bücher, Kupferstiche, Gewänder aus Hanf, Baumwolle und Baumwoll-Mischgeweben, goldene Borten, Spitzen, Wachs- und Lederarbeiten). Nach wie vor wurden in Venedig die qualitätsvollen österreichi- schen Eisenwaren sowie gearbeiteter Stahl, außerdemMessing, Kupfer, Blei, Quecksilber, rotes Wachs, einfache Tücher, Leinwand, Bau- und Brennholz, Kohle, Fische, Früchte und Ochsen gehandelt. Nachdem durch die Privilegierung Triests immer mehr oberdeutsche Firmen ihre Zweigniederlassungen dorthin verlegt hatten, befanden sich im Jahr 1763 nur mehr 18 deutsche Handelshäuser in Venedig. 1163 Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts war Venedig zur Be- deutungslosigkeit herabgesunken und konnte 1797 Napoleon keinen Widerstand mehr leis- ten. 1164 Venedig konnte sich trotz der neuen Konkurrenz in der Adriaschifffahrt so lange halten, weil die Stadt einen wesentlichen Vorteil gegenüber Triest hatte: eine eigene Bank, durch die sämtliche Wechselbriefe, die „entweder auf Venedig oder auch auf andere Länder gezogen“ wurden, laufen mussten. 1165 Aus Venedig sind im Koller-Archiv 380 Geschäftsbriefe überliefert, was immerhin fast 10 Prozent der gesamten überlieferten Korrespondenz entspricht. Geschäfte mit Venedig lassen 1160 Ebd., 41 f. 1161 Ebd., 43. 1162 Ebd., 46. 1163 K ALTENSTADLER , Seehandel I, 491. 1164 Pamela Rositta R EISCHL , Die wirtschaftshistorische Bedeutung des Triester Hafens aus der heutigen betriebs- wirtschaftlichen und organisatorischen Sicht, Dissertation, Wien 1989, 21. 1165 Gustav O TRUBA , Europäische Commerzreisen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Von Ludwig Ferdinand Prokopp, Aloisius Podstatzky und Karl Haugwitz (Linzer Schriften zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 5), Linz 1982, 24. Die Koller und Venedig
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