Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 201 - Steyr hatte zur Republik Venedig eine enge, wechselseitige Wirtschaftsbeziehung, denn je- dem Steyrer Bürger, der 24 Pfund Pfennig „anliegend“ im Burgfried hatte, war im Mittelalter der Handel mit Wein und Venediger-Waren offen gestanden. 1152 Der Handel mit Venedig dürfte schon vor der Bestätigung des Stadtrechts 1287 bestanden haben und mit der Erwerbung Kärn- tens im Jahr 1335 erlebte der Südhandel einen ersten Aufschwung. 1153 Nach Venedig wurden vor allem Erzeugnisse der Klingenindustrie, die für Italien und die Levante bestimmt waren, gehandelt. Die Handelsroute wurde durch den Landesherrn durch Verträge mit den Grafen von Görz (1351) sowie dem Patriarchen von Aquileia gesichert, die sich zum Schutz des Handels in ihren Territorien verpflichteten. 1154 Die wechselseitige Privilegierung sah vor, dass die Steyrer Kaufleute beim geschäftlichen Aufenthalt in Venedig im „Fondaco dei Tedeschi“ – dem Handelshaus der Deutschen in Vene- dig – wohnten, was der Kontrolle des Handels diente. Im Fondaco war den Steyrern ein Platz an der sogenannten Schwabentafel vorbehalten und sie genossen ein sehr hohes Ansehen. 1155 Für die Aufenthaltsdauer mussten sie ihre Waffen abgeben und einen mäßigen Geldbetrag ent- richten. 1156 Während nach Venedig Metallwaren wie Messer, Klingen, Sicheln und Sensen, aber auch Textilien, Holz, Wachs, Fette, Felle und Leder exportiert wurden, kamen auf umgekehr- temWege Samt, Seide, Baumwolle, Südfrüchte, Öl, Oliven und Bücher von dort nach Steyr. 1157 Im 15. Jahrhundert gingen zwei Mal jährlich große Handelskonvois aus Venedig ab, „um Wa- ren aus der Levante, England und Flandern einzuholen und sie am Rialto [dem wichtigsten Handelsplatz Venedigs, Anm. d. Verf.] zu Markte zu tragen.“ Da Venedig nämlich keine eige- nen Rohstoffe hatte, konzentrierte sich die Stadt auf die Seefahrt und den Mittelmeerhandel, sodass sie in beiden Bereichen ein Monopol erlangte. 1158 Umgekehrt hätten sich laut Josef Of- ner „venedigische Handelsleute“ in Steyr dauerhaft niedergelassen, die innerhalb der hiesigen Kaufmannschaft ihre eigene Gilde bildeten. Sie gehörten zu den vornehmsten und reichsten Bürgern, besaßen häufig einen Adelsbrief, waren Ratsmitglieder oder in hohen Ämtern der Stadtverwaltung tätig. 1159 Der blühende Handel zwischen Steyr und Venedig wurde durch die religiösen und kriegeri- schen Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges erschwert – unter anderem, weil die politische 1152 O FNER , Handelsleute, 35 f. 1153 Ebd., 30 f. 1154 S CHROFFNER , Entwicklung, 70. 1155 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 206. 1156 Erst im 16. Jahrhundert gestattete die Stadtregierung auch in Gasthäusern zu nächtigen; siehe O FNER , Han- delsleute, 38. 1157 Johann B RAMBERGER , Quellen zur Geschichte der Stadt Steyr und des Landes ob der Enns unter besonderer Berücksichtigung der „Annales Styrenses“ des Valentin Preuenhueber, Hausarbeit aus Geschichte, Salzburg 1980, 114 f. 1158 H OLLBERG , Handelsalltag, 227. 1159 O FNER , Handelsleute, 35. VENEDIG Handel mit Steyr Seit dem Dreißig- jährigen Krieg

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