Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 195 - vergleichsweise hohen Transportkosten trugen zur Krise bei: Vor der Fertigstellung der Süd- bahn zwischen Wien und Triest im Jahr 1857 waren die Versandspesen für schwedischen Ze- mentstahl nach Triest weitaus billiger als die Kosten für den Transport obersteirischen Stahls nach Triest. Das verbleibende Absatzgebiet der einst in die ganze Welt exportierten steirischen Sensen beschränkte sich damit nur mehr auf Südosteuropa und Russland. 1144 Auf welchen dieser Absatzmärkte agierten nun auch die Koller-Kaufleute? Im Kapitel „Kommissions- und Speditionshäuser“ (ab S. 231) wird noch eingehender erläutert, dass nicht immer jener Ort bekannt ist, an welchem die von den Koller verkauften Waren letztlich lande- ten. Eine zentrale Absatzstrategie der Koller-Kaufleute war es nämlich, Kommissions- oder Speditionshäuser als vermittelnde Instanzen einzusetzen. Zu ihren Abnehmern/-innen gehörten darüber hinaus sowohl Groß- als auch Einzelhandelskaufleute, sodass die Koller selbst eher selten in unmittelbarem Kontakt mit den Endverbrauchern/-innen standen. Von wem die Waren letzten Endes benutzt wurden, ist daher nur in Einzelfällen bekannt, z. B. bei der umfangreichen Nagelbestellung für den Ausbau des Augustiner-Chorherren-Stiftes St. Florian in Oberöster- reich durch den dortigen Bauschreiber im Sommer 1751. 1145 Aus dem überlieferten Geschäfts- brief gehen sowohl der Endverbraucher als auch der Verbrauchsort und der Verwendungszweck hervor, wobei es sich um einen Ausnahmefall handelt, denn in der Regel sind die Briefe nicht so aufschlussreich bzw. aufgrund der fehlenden Antwortschreiben unvollständig. Wenn im Fol- genden also die Rede ist von den „Absatzorten“ der Koller, so werden damit all jene Orte be- zeichnet, wohin die Koller Waren verkauften, ungeachtet dessen, ob sie tatsächlich vor Ort konsumiert oder von dort aus weitergehandelt wurden, z. B. ins städtische Umland oder gar weiter nach Übersee. Die bedeutendsten Absatzorte waren in diesem Sinne Venedig, Triest, Wien, Mailand, Turin, Linz, Brescia, Konstantinopel, Livorno, das heutige Budapest, Genf, Nürnberg und Neapel. Die meisten dieser Orte waren Umschlagplätze und Handelszentren, über die die Koller Zugang zum Fernhandel erlangten. 1144 Ebd., 360. 1145 StA Steyr, Geschäftsbrief aus St. Florian (8.6.1751), Kasten XII, L3/3 FXV 1–154 Nr. 73. Definition „Absatzort“

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