Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 194 - Die Absatzgebiete von Eisen, Stahl und Eisenwaren aus den Eisenwurzen lagen in der Ge- werbelandschaft selbst, in Ober- und Niederösterreich nördlich der Donau, in den Gebieten der böhmischen Krone, in Polen, Russland, Ungarn, den südslawischen Ländern, in Kleinasien, Venedig, Regensburg, Passau, Augsburg, Nürnberg, Frankfurt am Main, Ulm, Dresden, Leipzig, Lübeck, Hamburg und Bremen. Über die deutschen Städte gelangten die Handelswa- ren nach Westeuropa und über die Niederlande sowie England erreichten sie auch Übersee. Während durch den neuen Seeweg nach Indien der Absatz nach Kleinasien zurückging, blieb die Handelsbeziehung nach Venedig bestehen. Die Konkurrenz Englands und der Solinger Qualitätsklingen führten im 17. und 18. Jahrhundert zu einem dortigen Absatzrückgang. 1141 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging ein Teil des italienischen Absatzmarktes an Schweden verloren. Gleichzeitig konnte jedoch die Levante als wichtiges neues Absatzgebiet gewonnen werden, über die Pfannen, Sensen, Sicheln, Gewehre und Draht in den Orient ge- handelt wurden. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika begannen, sich für das steirische Eisen – viel mehr eigentlich für die Fertigwaren – zu interessieren. 1142 Die von Napoleon ver- hängte Kontinentalsperre sorgte zwischen 1806 und 1812 dafür, das billige, englische Eisen vorübergehend vom Kontinent fernzuhalten: „Auch französische, schwedische, belgische und deutsche Eisenwaren entwickelten sich bald zu einer gefährlichen Konkurrenz und entrissen dem steirischen Eisen einen Markt nach dem anderen. 1837 schien der Eisenexport über Triest nach der Levante und Italien zu versiegen; selbst in Konstantinopel dominierte damals das billige englische Gitterei- sen. Lediglich der Export des unübertroffenen Scharsach-Stahles über Linz und Regens- burg nach Frankfurt am Main und Basel und der steirischen Sensen nach Deutschland, der Schweiz und Frankreich sowie in die Agrarstaaten des Ostens war auch in den zwan- ziger und dreißiger Jahren noch zufriedenstellend. In England und Nordamerika aller- dings mußte die steirische Dengelsense mehr und mehr der englischen Schleifsense wei- chen.“ 1143 Trotz unterschiedlicher handelspolitischer Versuche Österreichs, ab Mitte des 19. Jahrhun- derts die Absatz- und Produktionskrise zu überwinden, konnte das steirische Eisen nicht mit den industriell gefertigten Stahlwaren West- und Nordeuropas mithalten, sodass auch die Ab- satzmärkte in Westeuropa, der Levante und Italien verloren gingen. Maßnahmen waren z. B. der Übergang vom Prohibitiv- zum Schutzzollsystem im Jahr 1851 und der Handelsvertrag mit dem Deutschen Zollverein zur Anbahnung eines gemeinsamen Zollgebietes 1853. Auch die 1141 S CHROFFNER , Entwicklung, 66 f. 1142 P ICKL , Rolle, 188. 1143 P ICKL , Eisenhandel, 359 f. Absatzrückgang Gegenmaß- nahmen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2