Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 191 - Werkstadt zu verfügen, den obwaltenden Gebrechen abzuhelfen, ihr mit guten Rath an die Hand zu gehen, und die Eßmeister und Knechte zur schuldigen Parizion und Erfüllung ihrer Pflichten anzuweisen. 1122 Die Witwe durfte die Werkstatt also weiterführen, sofern sie von zwei Handwerksmeistern dabei unterstützt wurde. Außerdem kam ihr eine Art Platzhalterfunktion zu, bis ihre Kinder soweit waren, den Betrieb zu übernehmen. Des Weiteren durfte sie das Zeichen ihres Gatten solange weiter benützen, bis sie sich wieder verehelichte oder die Werkstatt verkaufte. 1123 Handelsfrauen, mit denen die Koller Geschäfte tätigten, waren z. B. die Linzer Schiffmeis- ter-Witwe Regina Clara Viechbauer, die als Abnehmerin von Eisengeschmeidwaren auf- scheint. 1124 Bei Josef Ignatz Langes sel. Witwe in Prag handelte es sich um eine Handelsfrau, die offenbar nach dem Tod ihres Mannes den Betrieb weiterführte und mit Eisen, Stahl, Mes- sing und Steyrer Eisengeschmeidwaren handelte. Als Gesellschafter stand ihr dabei ihr Sohn unterstützend zur Seite. 1125 Auch die Witwen Josef Neweklowskys und Thomas Tascheks – beide aus Budweis – dürften das Geschäft ihrer verstorbenen Ehemänner fortgesetzt haben. Dem Handelsbereich sind wahrscheinlich auch Anna Maria Lang aus Weyer 1126 und auf jeden Fall Ignatz Frieß sel. Witwe in Linz zuzurechnen. 1127 Frauen hatten unterschiedliche Funktio- nen im Handelshaus: Töchter konnten mit der Heirat von entsprechend ausgebildeten Männern die Handlung erhalten – Ehefrauen konnten eine Konzession, Startkapital oder weiteres Kapital als stille Teilhaberinnen einbringen. Den Ehefrauen kam darüber hinaus auch die Leitungsfunk- tion der Hauswirtschaft zu und in Notfällen, z. B. wenn ihr Ehemann starb und es keine männ- lichen Nachfolger gab, konnten sie die Handlung fortführen. Nur so war es möglich, dass „Frauen ohne praktische Berufserfahrungen und formale Ausbildung plötzlich aktiv wur- den.“ 1128 Die Kompetenzen der Kaufmanns-Gattinnen erweiterten sich insbesondere dann, wenn sich ihre Ehemänner auf Reisen zu Jahrmärkten oder Geschäftspartner/-innen begaben und somit mehrere Wochen nicht im Kontor anwesend waren. 1129 1122 StA Steyr, Kasten XII, Lade 14, zitiert nach K ROPF / A RBEITHUBER , Museumsrundgang, 116. 1123 F ISCHER , Sensen, 66. 1124 Da Schiffmeister im Prinzip Kaufleute waren, die „Waren einkauften, verführten und verkauften“, scheint Viechbauer unter den Abnehmern/-innen auf und nicht unter den Transportunternehmen; siehe Michael F INK , Der Schiffmeister vom Inn. Selbstbiographie mit Kommentaren von Andreas Aberle, Ried 1981, 11. 1125 W ILDT , Handlungs-Gremiums-Schema, 46. 1126 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Weyer (21.9.1751), Kasten XII, L3/1 FXXXII 1–146 Nr. 53. 1127 Ignatz Frieß starb 1769 und war bürgerlicher Handelsmann am Hauptplatz Nr. 24 gewesen, worauf eine Ma- terialwarenhandlungsgerechtigkeit lag; siehe K RECZI , Häuserchronik, 17 f. 1128 Gunda B ARTH -S CALMANI , Salzburger Handelsfrauen, Frätschlerinnen, Fragnerinnen: Frauen in der Welt des Handels am Ende des 18. Jahrhunderts, in: L’Homme Z. F. G. 6/1 (1995), 23–45, hier 38–40. Barth-Scalmani nennt einige Beispiele erfolgreicher Salzburger Handelsfrauen und einer protoindustriellen Verlegerin. 1129 R EININGHAUS , Stadt Iserlohn, 571. Frauen im Handel

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