Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 188 - Exkurs: Frauen in Handwerk und Handel In den bisherigen Ausführungen über die Produzierenden fanden bereits hier und da einige Frauen Erwähnung, die sich entweder – wie z. B. Maria Elisabetha Koller – im Handel oder in der Produktion beruflich engagierten. Frauen wurden in der älteren Literatur nicht als aktive Teilhabende am Handel und an der Produktion erachtet, was sich auch in der fehlenden sprach- lichen Berücksichtigung äußert. Die neuere Forschung hat mit dieser veralteten Vorstellung, die Frau hätte im Gewerbe keine Rolle gespielt, jedoch längst aufgeräumt und ihre Bedeutung als Teil des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Arbeitspaares 1108 herausgestellt: Während der Mann eine formale Ausbildung in Form einer Lehre absolvieren und schließlich das Meis- terrecht erwerben konnte, übernahmen deren Ehefrauen unverzichtbare Rollen im Betrieb, z. B. indem sie in der Werkstatt mitarbeiteten, Rohstoffe beschafften oder die Erzeugnisse verkauf- ten. Das Arbeitspaar bildete damit den Kern des Familienbetriebes, der darüber hinaus auch von den Meistertöchtern unterstützt wurde. 1109 Insbesondere im Exporthandwerk und im Klein- betrieb war die Mithilfe der weiblichen Familienmitglieder verbreitet. 1110 Zahlreiche Erzeug- nisse der Kleineisenindustrie, welche die Koller in ihrem Sortiment führten, wurden in mitunter kleinen Familienbetrieben hergestellt, sodass die Handwerksmeister auf die Mitarbeit ihrer Töchter und Ehefrauen angewiesen waren, z. B. bei der Erzeugung von Maultrommeln, bei den Nagelschmieden oder im Messerhandwerk. 1111 Aus diesen Gründen wurden sämtliche Berufsbezeichnungen in dieser Arbeit gendergerecht oder -neutral formuliert – sofern es den Lesefluss nicht allzu sehr beeinträchtigte. Weiters hatte auch der über dreiprozentige Frauenanteil unter den insgesamt 834 Korrespondenten/-innen, von denen Briefe im Koller-Archiv überliefert sind, Einfluss auf die Entscheidung für eine sprachliche Berücksichtigung. Bei weiteren 2,9 Prozent der Absender/-innen waren Frauen au- ßerdem in solchem Ausmaß am Unternehmen oder Handwerksbetrieb beteiligt, dass sie im Fir- mennamen aufscheinen, worauf z. B. die Zusätze „Witwe & Erben“, „Witwe & Sohn“ oder „Witwe & Compagno“ verweisen. 1108 Der Begriff wurde geprägt durch Heide W UNDER , „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond.“ Frauen in der frühen Neuzeit, München 1992. 1109 Ebd., 124 f. 1110 Reinhold R EITH , „Gerecht geschaut’ Gut“ – Qualität im zünftigen Handwerk, in: Walter Masing u. a., Hg., Qualitätsmanagement – Tradition und Zukunft: Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V., München / Wien 2003, 127–148, hier 141. 1111 C HALOUPEK u. a., Industriegeschichte, 61. Frauen als Geschäfts- partnerinnen
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