Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 187 - Trotz ihres Einflusses auf die Erzeugnisse, indem sie die Bedürfnisse der Absatzmärkte an die Produzierenden weiterleiteten, und ihres Engagements im Produktionssektor durch „ver- lagsartige Beziehungen“, blieben die Koller auf den Handel mit Eisenwaren spezialisiert. Das wirkliche Geschäft mit dem Eisen war nämlich nicht in der Produktion, sondern im durch Pri- vilegien abgesicherten Handel zu machen, wie Roman Sandgruber konstatierte. 1106 Außerdem galt der Export von Fertigwaren aus Eisen und Stahl als deutlich lukrativer als der Rohstoff- bzw. Halbfertigfabrikatehandel. Diese Feststellung wird unterstützt von einem Bittschreiben der Steyrer Eisen-, Geschmeid- und Nagelhändlerzunft aus dem Jahr 1787, mit dem versucht wurde, eine erneute Preissteigerung der IHG beim Stahl und Eisen abzuwenden. Die Kaufleute argumentierten, dass der Export von einem Zentner Stahl (56 Kilogramm) nur 12 Gulden ein- brächte – derselbe Zentner Stahl könne jedoch 40 Gulden und mehr erzielen, wenn er in der effabricata verfeinert und dann in die Auslanden verschlüssen würde . Aus dem Dokument geht außerdem das Naheverhältnis der Verleger zu „ihren Manufakturisten“ hervor, denn die Kauf- leute beanstandeten, dass die zuletzt vorgenommene Preissteigerung beim Scharsachstahl um ganze 21 Prozent und die Teuerung von Kohle, Lebensmitteln und aller zum Werk nöthigen Ingredenzien existenzbedrohend für die Familien der Kleinhandwerksleute sei. Durch eine abermalige Steigerung drohten diese Familien zu verarmen. Der Magistrat wurde daher darum gebeten, dieses Schreiben beim bevorstehenden Kongress der 3 Stellen der Hauptgewerkschaft – Radmeister-, Hammerwerks- und Verlagsstelle – vorzubringen, um eine erneute Preissteige- rung abzuwenden oder zumindest eine Ausnahme für die von den „Manufakturisten“ stark nachgefragten Eisensorten zu erwirken. 1107 Natürlich war die Abwendung einer erneuten Preis- steigerung nicht uneigennützig, sondern war auch im Sinne der Kaufleute, da sich der Preisan- stieg bei den Rohstoffen (dem Zeug ) auf den Preis des Endproduktes auswirkte und neue Her- ausforderungen im Absatz schuf bzw. die Gewinnspanne verkleinerte. Das Schreiben an den Magistrat ist schlussendlich auch ein Beleg dafür, wie eng das Schicksal der Eisenhandelsleute mit jenem des Kleineisenhandwerks verknüpft war, dessen Niedergang als entscheidender Fak- tor für das Ende Koller-Handelshauses angesehen wird. 1106 S ANDGRUBER , Eisenwurzen, 16. 1107 Unterschrieben wurde das Dokument von Bernhard Dietmayr von der Wittensperg-Handlung, Franz Wolfgang Koller, Johann Battista (Jakob) Koller, Johann Jakob Voith, Johann Ignaz Gapp, Adam Leopold Pichler sel. Erben, Franz Josef Brandegski sel. Erben, Josef Ranöcker, Franz Xaver Eschers sel. Witwe sowie Michael Ruebacher; siehe StA Steyr, Bittschrift an das Magistrat (29.9.1787), Kasten VII, Fach 4, F294/11, Nr. 1. Export von Eisen- waren lukrativer als von Stahl
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