Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 186 - nes Verlegers, ohne der strengen Definition eines Verlagsverhältnisses jedoch gerecht zu wer- den. 1102 Selbes kann auch für die Koller angenommen werden, wenn auch alleine aus der Kor- respondenz nicht hervorgeht, ob die Handwerksleute exklusiv für die Koller produzierten und inwiefern sie von ihren Verlegern abhängig waren. Im Übrigen war das Verlagssystem davon gekennzeichnet, dass es die Kontrolle der Produ- zierenden und der Produkte durch die Verleger-Kaufleute ermöglichte. Tatsächlich hatten die Koller die Möglichkeit, Einfluss auf die hergestellten Waren zu nehmen. Auch ohne nachweis- bare, explizit vertraglich festgelegte Verlagsbeziehung und ohne Eigentum an der Werkstätte inklusive Einrichtung, Werkzeuge und Rohstoffe, gestalteten die Koller auf der Produktions- seite mit, was z. B. aus einem Brief der Firma Gianoli & Canes in Turin vom 17. Juli 1723 hervorgeht. Die Turiner Geschäftsfreunde beanstandeten die von ihren Kunden besonders nach- gefragten Feilen Nr. 2 und 3, die für gewöhnlich dick und gewichtig seien, in der letzten Liefe- rung jedoch etwas zu ring (gering) und schmal ausgefallen wären. Sie baten Johann Josef Koller deshalb darum, denen Maistern anzubefelchen, das sie selbe hinfüro etwaß schwärer und braitter zuma- chen alß vorhin geschehen, den dardurch vertrauen wir auf einen grössern Verschleüß und EE werden auch einen bössern Nuzen haben. 1103 Des Weiteren forderten sie drei oder vier Stück flache Feilen vom ordinary Schnitt als Mus- ter an. Koller sollte den Meistern auftragen, diese Feilen ganz subtil (fein, zart) zu machen, den disse Feillen müessen dienen, die Räder wie die Uhren einzuschneiden, deßwegen müessen auch subtil sein. 1104 Die Turiner Firma war offenbar davon überzeugt, dass Koller Einfluss auf die Produktion hatte, ohne Eigentümer von Produktionsstätten zu sein, was sich alleine durch die Beauftragung der Kleinhandwerksleute ergab. Dasselbe hat auch Gorißen bei seiner Unter- suchung der Firma Harkort festgestellt – nämlich, dass die Eisenhandelsleute die Produktwün- sche der Kundschaft an ihre Handwerksleute weiterleiteten und damit Einfluss auf die Produk- tion bzw. das Warenangebot ausübten: „Immer wieder brachte Harkort von seinen Reisen an die Ostsee oder vermittelt über Briefe von Geschäftspartnern in den Absatzregionen konkrete Nachfragen nach verschie- denen Gütern in einer bestimmten Qualität mit und gab diese direkt als Herstellungsauf- träge an die Schmiede weiter.“ 1105 1102 G ORIßEN , Kaufmann, 72. 1103 StA Steyr, Briefkopierbuch (Juni bis August 1723), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 4, fol. 13 f. 1104 Ebd. 1105 G ORIßEN , Handelshaus, 271. Einfluss auf Produktion

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