Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 181 - Geschäftsmodell der Koller ergab. Wie sich diese Beziehung der Koller-Kaufleute und den Kleinhandwerkern/-innen ausgestaltete und dass dabei auch Frauen eine nicht zu vernachlässi- gende Rolle spielten, soll in den nächsten beiden Unterkapiteln erörtert werden. 3.3.3 Das Verlagssystem In protoindustriellen Gewerbelandschaften 1080 wie jene der Eisenwurzen war der Verlag ein weitverbreitetes Produktionssystem. Dabei versorgte der Verleger einen an sie vertraglich ge- bundenen Produzenten mit Roh- und Hilfsstoffen, Nahrungsmitteln und regelmäßigen Geld- zahlungen und konnte zugleich Werkstatt und Produktionsmittel (z. B. Rohstoffe, Werkzeuge, Geräte) innehaben. Der Produzierende lieferte seine Erzeugnisse regelmäßig an den Verleger ab, zu dem ein Abhängigkeitsverhältnis bestand. Kleinschmidt nennt Beispiele aus dem 18. Jahrhundert, bei denen solche Verleger-Kaufleute eine Verlagsbeziehung zu mehreren tau- send Beschäftigten unterhielten. Dem Verlagssystem gegenüber stand das Kaufsystem, in dem die Produzierenden formal selbständig blieben und die Waren auf eigene Rechnung herstell- ten. 1081 Die Kaufleute selbst oder Vermittler kauften die gewerblichen Erzeugnisse, wohinge- gen die Produzierenden ihre Rohstoffe und Vorprodukte auf eigene Rechnung bezogen und Inhaber ihrer eigenen Werkzeuge waren. In Steyr war das Verlagssystem für das Eisenwesen im Mittelalter die gängige Produktions- weise. Die Bürger der Stadt verlegten lange Zeit nicht nur die Rad- und Hammerwerke, die Roheisen und Stahl herstellten, sondern auch die in Steyr und dessen Einzugsgebiet ansässigen Kleineisengewerbe. 1082 1287 wurde per Privileg bestätigt, dass die Radmeister – und später die Hammermeister – mit ihrem geschlagenen Eisenzeug nach Steyr zum Stapelplatz kommen und den dortigen Bürgern drei Tage zum Verkauf anbieten mussten (Kaufsystem). Nur was nicht verkauft werden konnte, durften sie selbst weiterverhandeln. Aufgrund des hohen Risikos des Eisentransportes auf der Enns, kamen die Handelsleute Steyrs oder deren Bevollmächtigte aber bald selbst alle paar Monate zu den Hämmern, um das Eisen für den Weiterverkauf abzuholen (zu „heben“) und sofort zu bezahlen. Zu jener Zeit war der Eisenbezug noch in privater Hand, 1080 Eine Gewerbelandschaft ist nach Kaufhold ein räumlich eng konzentriertes Verdichtungsgebiet für einzelne Produkte und Produktgruppen; siehe Karl Heinrich K AUFHOLD , Das Metallgewerbe um 1800, in: Michael Daus- kardt, Hg., Vom heißen Eisen: Zur Kulturgeschichte des Schmiedens (Forschungsbeiträge zu Handwerk und Tech- nik 4), Hagen 1993, 157–168, hier 163. Siehe außerdem Hans P OHL , Hg., Gewerbe- und Industrielandschaften vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte 78), Stuttgart 1986. 1081 Die Manufaktur hätte eine überlegene Organisationsform geboten, hatte im 18. Jahrhundert jedoch noch keine wesentliche Bedeutung und konnte sich gegenüber dem Verlag nicht durchsetzen; siehe K LEINSCHMIDT , Weltwirt- schaft, 80–84. 1082 H OFFMANN , Rechenbuch, 678 f. Der Verlag Historische Entwicklung in Steyr

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