Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 164 - fünf Zentner Eisendraht. 976 Sein Drahtzug hatte seit 1587 bestanden und befand sich in Hall bei Admont. Über Jahrhunderte hinweg war die ursprünglich aus Waidhofen an der Ybbs stam- menden Familie Schröckenfux Inhaber dieses Drahtzugs. 977 Als Johann Karls Nachkomme Jo- sef Schröckenfux beim Magistrat Steyr darum ansuchte, in Steyr eine Drahtniederlage zu er- richten, erhoben die Eisenhändler zu Steyr – vertreten durch Bernhard Dietmayr – im Jänner 1807 Einspruch dagegen. Da sich die Eisenhandelsleute zu Steyr sowie die Innerberger Haupt- gewerkschaft noch immer im Stande sahen, die hiesigen „Manufakturisten“ sowohl in kleinen als auch in größeren Mengen mit Eisendraht zu versorgen, sahen sie die Drahtniederlage von Schröckenfux als überflüssig und für sie nachteilig, da durch die unaufhörlichen Kriege der Absatz ohnehin schon im Stocken begriffen sei. Die eingebrachte Stellungnahme jedoch zeigte keine Wirkung, denn der Magistrat hatte sich an die allerhöchsten Verordnungen vom 8. No- vember 1782, vom 29. März sowie vom 7. Juni 1793 zu halten. Es stehe seither jedem Eisen- hammermeister frei, sowohl in der Residenz als auch in allen Städten und Orten der Erblande Eisenlager zu eröffnen und dort die Erzeugnisse von geformten und ausgearbeiteten Eisen im Großen und Kleinen zu verkaufen. 978 Die Liberalisierung des Eisenwesens durch Joseph II. er- möglichte es den Produzierenden erstmals selbst – sofern sie über die finanziellen Mittel und die entsprechenden Kenntnisse und Kontakte verfügten – ihre Waren direkt an die Endverbrau- cher/-innen abzusetzen, sodass sie nicht mehr zwingend auf Eisenhandelsleute angewiesen wa- ren. 979 Verständlicherweise sahen sich die Eisenhandelsleute von dieser neuen Konkurrenz be- droht. Weitere Hersteller, von denen die Koller Draht bezogen, befanden sich in Windischgarsten und in Eisenerz. 980 Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Draht in Niederöster- reich und Oberösterreich auf einfachen Drahtzügen erzeugt. 981 Zentren der Drahterzeugung la- gen im Raum Steyr/Sierning, ab 1841 außerdem in Graben, Josefsthal bei Schwertberg, Keu- schen, Kleinraming, Neuzeug, Vorchdorf und Windischgarsten. 982 „In der Drahterzeugung hatte sich bereits vor 1873 die maschinelle Produktion durchgesetzt.“ Konkurrenz bestand vor allem von Seiten rheinischer und westfälischer Unternehmen, während einheimische Betriebe 976 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Admont (22.10.1787), Kasten XII, L3/2 FVI 1–69 Nr. 8. 977 Reinhold J AGERSBERGER , Herrenhäuser der Hammerherren, Radmeister und Eisenverleger in der Steiermark, Graz 2015, 76 f. 978 StA Steyr, Einspruch der Eisenhändler (13.1.1807), Kasten VII, Fach 4, F294/11, Nr. 11. 979 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 449 f. 980 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Windischgarsten (1.6.1806), Kasten XII, L3/2 FXXII 1–169 Nr. 161; StA Steyr, Geschäftsbrief aus Windischgarsten (27.6.1808), Kasten XII, L3/4 FVIII 1–135 Nr. 70; StA Steyr, Geschäftsbrief aus Eisenerz (10.12.1808), Kasten XII, L3/4 FXXX 1–155 Nr. 27. 981 R OTH , Eisenwarenproduktion, 312. 982 Gustav O TRUBA / Rudolf K ROPF , Die Entwicklung von Bergbau und Industrie in Oberösterreich. Von der Ma- nufakturepoche bis zur Frühindustrialisierung, Erläuterungen zu den Industriekarten I (ca. 1780–1820) und II (1820–1841), in: Oberösterreichische Heimatblätter 23 (1969), 3–19, hier 17. Industrialisierung
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