Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 159 - sich z. B. mit Transportwegen und -kosten auskannte und über entsprechende Kontakte ver- fügte. Die Beziehung zwischen den Koller und den Feilenproduzierenden könnte man als verlags- artig beschreiben (zum Verlag siehe S. 181) . Als ein Feilenschmied, der womöglich in einer Verlagsbeziehung zu Maria Elisabetha Koller stand, konnte Thomas Kriegbauer aus Zell (ein Ortsteil der „Eisenstadt“ Waidhofen an der Ybbs) identifiziert werden. Er hatte sich von ihr im Februar 1748 einen Betrag in Höhe von 30 Gulden geborgt, den er nur zwei Monate später dankend zurück zahlte. 929 Die Feilen und Raspeln im Koller-Sortiment stammten jedoch nicht nur aus den Schmieden von Steyrer oder Waidhofner Produzierenden, sondern offenbar auch aus der Grazer Gegend. Den Kontakt dorthin baute ein Schwager Josef von Kollers – Johann Michael Haller – auf, der in Graz niedergelassen war und mit einer der beiden älteren Schwes- tern Kollers verheiratet gewesen sein musste. Haller dürfte ebenso Eisenwarenhandel betrieben haben, denn er fädelte ein Geschäft zwischen seinem Steyrer Schwager und dem Feilenschmied Pfaller ein. Haller gewährte dem Feilenschmied einen Vorschuss über 100 Gulden, woraufhin Pfaller im März 1808 100 Bund flache Feilen Nr. 3 an Haller übergab, welche zu Kollers Dis- position gedacht waren. 930 Wenige Wochen später standen 400 Bund weitere Feilen bereit, wo- bei Haller die Versendung nach Klagenfurt an Herrn Josef von Pürkenau übernehmen wollte. 931 Es dürfte sich um eine Gefälligkeit Kollers gehandelt haben, über seinen Schwager in Graz Feilen zu kaufen, denn Haller hatte Mühe, Koller davon zu überzeugen, dass die Preise Pfallers nicht höher seien, als jene der Steyrer Feilenschmiede. Insgesamt kaufte Koller also 2 Fässer mit 560 Bund zu einem Gesamtpreis von rund 620 Gulden von Pfaller. 932  Zur Herstellung von Feilen benötigte ein Feilenschmied gut härtbaren Werkzeugstahl (Raf- finierstahl), woraus er pro Tag bis zu 50 Stück Feilen herstellen konnte. 933 Zentren der Feilen- produktion lagen in Steyr, Grünburg, Neuzeug und Steinbach, wo qualitativ hochwertige Pro- dukte erzeugt wurden, die auf ausländischen Märkten nachgefragt waren. „Die bekannten An- kerfeilen wurden wegen ihrer Härte, ihres Hiebs, ihrer Dauerhaftigkeit und Feinheit sogar nach England exportiert.“ 934 Die erste Erwähnung des Feilenhauer-Berufs in Steyr geht auf das 16. Jahrhundert zurück – eine Handwerksordnung gab es dort bereits im Jahr 1565. 935 Zur Mitte 929 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Zell (21.2.1748), Kasten XII, L3/4 FXVIII 1–134 Nr. 43; StA Steyr, Geschäfts- brief aus Zell (11.4.1748), Kasten XII, L3/4 FXVIII 1–134 Nr. 46. 930 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Graz (8.3.1808), Kasten XII, L3/4 FXXX 1–155 Nr. 42. 931 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Graz (29.3.1808), Kasten XII, L3/4 FXXX 1–155 Nr. 40. 932 Haller unterbreitete Koller außerdem den Vorschlag Pfallers zur Erbauung einer Schmiede, wozu er einige Hundert Gulden Vorschuss benötigte und im Gegenzug einen Feilenpreis von 1 Gulden und 3 Kreuzern pro Bund versprach; siehe StA Steyr, Geschäftsbrief aus Graz (11.4.1808), Kasten XII, L3/4 FXXX 1–155 Nr. 41. 933 Rainer S TAHLSCHMIDT , Feilenhauer, in: Reinhold Reith, Hg., Lexikon des alten Handwerks: Vom späten Mit- telalter bis ins 20. Jahrhundert, 2. Auflage, München 1991, 76–80, hier 77 f. 934 K ROPF , Krise, 120. 935 S TAHLSCHMIDT , Feilenhauer, 76. Verlagsab- hängige Feilen- schmiede Produktion und Nachfrage

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