Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 158 - Ein Herr Salamon von der Firma Camondo, Bassan & Co. in Konstantinopel bestellte im Juni 1808 neben mittleren und großen Schermessern, 650 Bund Flachfeilen und 550 Bund Flachfeilen vom Zeichen „Hellebarde“. Die Lieferung sollte durch die Firma Johann Georg von Scheidlin in Wien erfolgen. 922 Ebenfalls durch Scheidlin ließen Isaac Camondo & Co. in Kon- stantinopel ihre bestellten 400 Dutzend Feilen vom Zeichen „Baum“, ihre 300 Dutzend feinen und ihre 300 Dutzend ordinari Rasiermesser nach Konstantinopel liefern. Scheidlin wickelte als Speditionshaus nicht nur die Zustellung, sondern auch die Bezahlung ab. 923 Ein weiterer Abnehmer in Konstantinopel war Hayrabet Masse, der 600 Bund flache, 250 Bund dreieckige und 250 und halbrunde Feilen vom Zeichen „Zypresse“ bestellte, die in Stroh verpackt sein sollten. 924 Für gewöhnlich erfolgte die Bestellung also auch bei den Feilen und Raspeln anhand der Meisterzeichen und nur in Einzelfällen kannten die Abnehmer/-innen auch die Namen der Her- stellenden. Das beliebte Zeichen „zwei Schlüssel“ ließ sich dank eines Geschäftsbriefes dem bürgerlichen Feilschmiedmeister Franz Reichl in Steyr zuordnen 925 und die „Hellebarde“ schlug nachweislich der Steyrer Feilschmiedmeister Anton Peyer auf seine Erzeugnisse. 926 Höchstwahrscheinlich war auch der Steyrer Feilschmiedmeister Andreas Rab ein Hersteller von Erzeugnissen, welche die Koller vertrieben, denn im Geschäftsarchiv sind mehrere an ihn adres- sierte Briefe aus dem Zeitraum 1806 bis 1808 überliefert: Drei der vier aus Florenz, Triest und Venedig an Rab adressierte Preisanfragen und Bestellungen waren in italienischer Sprache ver- fasst, was ein Grund für die Weitergabe der Briefe an Koller gewesen sein könnte. Denkbar wäre auch, dass Rab aus pragmatischen Gründen die Briefe an Koller übergab, damit dieser über sämtliche Informationen der Anfrage verfügte, um die weitere Abwicklung des Geschäfts zu organisieren. 927 Aus dem gleichen Grund befindet sich wohl auch ein an den Feilschmied- meister Matthias Sonnleithner adressierter Brief im Koller-Archiv: Domitian Huber aus Flitsch (Bovec, heutiges Slowenien) war das Warenzeichen Sonnleithners in die Hände gelangt, wes- halb er direkt bei diesem um den Preis pro Bund und die Frachtkosten bis Villach anfragte. 928 Obwohl es sowohl Rab als auch Sonnleithner aufgrund der Liberalisierung des Eisenwesens in den 1780er Jahre bereits möglich gewesen wäre, ihre Erzeugnisse selbst ins Ausland zu expor- tieren, überließen sie den Vertrieb Josef von Koller, weil dieser mehr Erfahrung damit hatte, 922 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Konstantinopel (24.6.1808), Kasten XII, L4/4 FV 1–123 Nr. 50. 923 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Konstantinopel (25.8.1808), Kasten XII, L4/4 FV 1–123 Nr. 60. 924 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Konstantinopel (25.11.1808), Kasten XII, L4/4 FV 1–123 Nr. 43. 925 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Turin (23.7.1808), Kasten XII, L4/4 FIII 1–105 Nr. 51. 926 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Konstantinopel (24.6.1808), Kasten XII, L4/4 FV 1–123 Nr. 50. 927 StA Steyr, Diverse Geschäftsbriefe (1806–1808), Kasten XII, L3/2 FVII 1–91 Nr. 82; L3/2 FXXII 1–169 Nr. 35; L3/3 FXI 1–35 Nr. 29; L4/4 FIII 1–105 Nr. 97. 928 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Flitsch (7.1.1806), Kasten XII, L3/3 FXVII 1–129 Nr. 52. Konstantinopel Produzierende
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