Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 153 - Beschalen mit Bein, Horn, Buchsbaum oder Eibenholz an die eigentlichen Messerer weiterge- geben wurden. 878 Das Beschalen, das Befeilen und Polieren waren dabei Arbeiten, die Geschick und Formsinn erforderten und daher überwiegend von Frauen vorgenommen wurden. 879 Die Messerer organisierten häufig außerdem den Vertrieb und die Finanzierung der beiden Vorstu- fen. 880 Solch eine Verlagsfunktion könnte Josef Helmb aus Sierninghofen ausgeführt haben, denn dieser sandte im August 1806 das Muster eines Scheiden -Tischmessers mit beinernem Heft an Josef von Koller und kündigte an, abermals solche produzieren zu lassen, sofern Koller sich zur Abnahme von 12 Bund entschließe. 881 Diese strenge Arbeitsteilung im Messerhand- werk, die schon seit dem 15. Jahrhundert bestand, zeugte vom hohen Grad der technischen Entwicklung. 882 Im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts stand das Messerhandwerk in seiner höchsten Blüte. 883 Im Jahr 1579 gab es in Steyr, Kleinraming und Dambach 171 Werkstätten, in denen jährlich circa 10,5 Millionen Klingen hergestellt wurden. Das ist ein doppelt so hoher Ausstoß wie zu jener Zeit in Nürnberg – einer mit Steyr immer wieder verglichenen Handwerksstadt –, wenngleich die Zahl der Messerer (303 in Steyr) ähnlich hoch war. 884 Obwohl die Gegenrefor- mation, der Dreißigjährige Krieg und die Inflation für das Ende dieser Blüte gesorgt hatten, übertraf das eisen- und stahlverarbeitende Gewerbe Steyrs in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert noch immer alle anderen Städte der österreichischen Erbländer. 885 Im 18. Jahr- hundert entwickelten sich z. B. die Trattenbacher Feitel zu einem Markenprodukt, das – wie wir gesehen haben – auch von den Koller fleißig exportiert wurde. 886 Die Feitel wurden in Fäs- sern verpackt auf den Linzer Märkten zum Verkauf angeboten und von dort nach Venedig und in die Türkei verhandelt. In der Türkei jedoch wurden sie zusammengeschmolzen und zur Pro- duktion feiner damaszierter Klingen verwendet, da die Feitel aus dem besten Scharsachstahl hergestellt wurden. 887 Im Jahr 1841, also unmittelbar vor dem Einsetzen des Niedergangs des Handwerks, stellten die 158 Messerschmiede in Steyr, Garsten, Sierning, Neuzeug, Steinbach und Grünburg noch über 4 Millionen Messer und Gabeln sowie 6 Millionen Taschen- und Rasiermesser her – die 878 K ROPF , Blüte, 63; K ASER , Eisenverarbeitung, 158 f. 879 R EITH , Lohn, 257 f. 880 K ROPF , Blüte, 63. 881 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Sierninghofen (18.8.1806), Kasten XII, L3/1 FXVI 1–121 Nr. 39. 882 K ASER , Eisenverarbeitung, 158 f. 883 H ACK , Eisenhandel, 113. 884 R EITH , Lohn, 246. 885 S ANDGRUBER , Eisenwurzen, 21. 886 K ROPF , Blüte, 63. Aus dem einstigen Produktionszentrum ist inzwischen ein Museumsdorf geworden, das sich der Geschichte des sogenannten „Zauckerls“ widmet; siehe Museumsdorf Trattenbach, https://www.tal -der-feitel- macher.at/ (18.11.2019). 887 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 595. Entwicklung des Handwerks Niedergang des Gewerbes

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