Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 147 - „Die Sensenwerke waren damals hochkapitalisierte Unternehmen mit enger Verbindung von Produktion und Vertrieb, deren Eigentümer, aufgrund ihrer sozialen Stellung als ‚schwarze Grafen‘ bezeichnet wurden und durch ein dichtes Netz familiärer Beziehungen untereinander verbunden waren.“ 840 Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts ging die stärkste Konkurrenz von den Betriebsstätten in Solingen und Remscheid aus, deren Produkte „den westeuropäischen Absatzmarkt eroberten und auch nach Rußland vordrangen.“ 841 Die Nachahmung der qualitätsvollen und im Ausland hochgeschätzten steirischen und oberösterreichischen Sensen und die Fälschung der Marken, führten zum Markenschutzgesetz von 1890. In den großen Ebenen Südrusslands machte außer- dem die amerikanische Mähmaschine den steirischen Sensen ernst zu nehmende Konkurrenz. 842 Bis zum Jahr 1907 fiel die Zahl der Sensenwerke in Micheldorf von zwölf auf eins, wohingegen die Produktion einiger Betriebe enorm stieg: Die Firma Simon Redtenbacher in Scharnstein produzierte kurz vor dem Ersten Weltkrieg täglich immerhin 40.000 Stück Sensen. 843 In den 1920er Jahren kam es zur letzten Blüte, als die Sowjetunion Großaufträge in Oberösterreich deponierte. Mit der Einstellung der Sensenimporte durch Stalin im Jahr 1928 und der Weltwirt- schaftskrise 1929/30 kam es schließlich zur Krise, von der sich die Sensenindustrie nie wieder erholte. 844 Messer und Scheren Messer waren – ebenso wie Nägel und Sensen – massenhaft hergestellte Exportartikel und auch sie waren Bestandteil der Warenpalette der Koller. Steyr war berühmt für sein Messerhandwerk, das während des Spätmittelalters in voller Blüte stand: „Wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts die Gewehrfabrikation, so hat namentlich vom 14. bis 16. Jahrhundert die Messerer- zeugung dem Wirtschaftsbild Steyrs Rahmen und Farbe verliehen.“ 845 Doch noch in den da- rauffolgenden Jahrhunderten waren Messer – neben den Sensen – die Exportschlager unter den Innerberger Erzeugnissen. 846 Insbesondere im Handel mit der Neuen Welt waren sie als Tauschartikel sehr gefragt. 847 Bei den Koller begegnen uns Messer – und die mit ihnen verwandten Schneidewaren wie z. B. die Scheren – bereits von Beginn der Unternehmensgründung an, nämlich im Inventar der 840 K ROPF , Krise, 117–119. 841 K ROPF , Krise, 117–119. 842 R OTH , Eisenwarenproduktion, 314 f. 843 C ORRADINI , Meisterzeichen, 182. 844 R ESCH , Region, 114. 845 K ASER , Eisenverarbeitung, 162 f. 846 Ebd., 171. 847 R EITH , Lohn, 245. Ende des Sensenhand- werks Exportschlager Messer Messersorten bei den Koller
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