Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 146 - Kommittenten gleichgültig. 832 Die beiden Briefe liefern nicht nur den Beleg dafür, dass die Koller ein Glied in der Kette des Fernhandels bis nach Amerika waren, sondern auch wie viele Personen in so ein Geschäft verwickelt sein konnten: Weinmeister als Hersteller der Sensen, Koller in Steyr als dessen Vermarkter und Versender, Kießling als Zwischenhändler oder gar Organisator des Transports, van der Smissen in Altona als Kommissionäre und wahrscheinlich auch als Spediteure und schließlich die Kommittenten bzw. Abnehmer/-innen in Amerika. Für den weiten Weg zu Lande und zu Wasser kommen darüber hinaus noch eine Reihe nicht ge- nannter Fuhr- und Schiffleute in Frage und bei welchen Endkonsumenten/-innen in Amerika die Sensen letztendlich landeten, ist ebenfalls ungeklärt. Kirchdorf-Micheldorf, wo viele Sensenbetriebe angesiedelt waren, war nicht immer der „Mittelpunkt der alpenländischen Sensenerzeugung“. Noch im 15. Jahrhundert hatte Waidh- ofen an der Ybbs 833 das Zentrum der Sensenerzeugung gebildet, verlor seine Stellung an der Wende zur Neuzeit jedoch an den Kirchdorf-Micheldorfer Produktionsstandort. 834 Der Grund dafür lag im kaiserlichen Befehl von 1574, mit dem die dortigen Sensenschmiede das Vorrecht auf die Belieferung mit Eisen erhielten. 835 Ab dann erfuhr die Sensenindustrie einen spektaku- lären Aufschwung und stieg zu einer der wichtigsten Exportbranchen auf. Dies war außerdem der Verwendung der Wasserkraft beim Breiten des Sensenblattes zu verdanken, was dem Scharnsteiner Hammermeister Konrad Eisvogl im Jahr 1580 zugeschrieben wird. 836 Diese In- novation erhöhte nicht nur die Qualität der Sensen, sondern beschleunigte die Arbeit, erübrigte einen Teil der Sensenknechte und erhöhte die Produktion auf 70 Stück pro Tag und Werkstatt. Als Rohstoffe dienten der qualitätsvolle Scharsachstahl (besonders kohlenstoffreich) und Mock (ein weicherer Rohstahl), 837 wobei der teurere Scharsach für die Schneide und der billigere Mock für den Rücken der Sensen verwendet wurde. 838 Das extrem arbeitsteilige Produktions- verfahren machte die Sensenhämmer zu den größten Betrieben der Eisengewerbe, sodass je- weils um die 20 Personen beschäftigt waren. 839 Die durchschnittliche Betriebsgröße der Sen- senwerke lag im 18. Jahrhundert bei neun bis zwölf Personen und stieg im 19. Jahrhundert auf 35 Personen an. 832 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Nürnberg (9.12.1806), Kasten XII, L3/4 FXXI 1–142 Nr. 22. 833 Sieh dazu Erlefried S CHRÖCKENFUCHS , Das Eisenwesen von Waidhofen an der Ybbs bis zur Gegenreformation und die Gottsleichnamszeche, Dissertation, Wien 1966; Kurt S EMELLECHNER , Sensenerzeugung und Sensenhan- del in Waidhofen an der Ybbs. Von der Gegenreformation bis zu den josephinischen Reformen, Dissertation, Wien 1972. 834 K ROPF , Sensenschmiede, 26. 835 P RITZ , Beschreibung, 406. 836 S ANDGRUBER , Eisenwurzen, 18. 837 T REMEL , Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 190. 838 Rudolf K ROPF / Herta A RBEITHUBER , Museumsrundgang, in: Rudolf Kropf, Hg., Sensen, Schmiede, Kultur: Sensenschmiedemuseum Micheldorf, Linz 1998, 105–187, hier 128. 839 R ESCH , Region, 113. Produktion

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2