Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 141 - zusammentrafen. 795 Diese Unabhängigkeit im Eisenbezug war mitunter ein Grund für den öko- nomischen Erfolg der sogenannten „Schwarzen Grafen“, die während der „goldenen Zeiten“ im 18. Jahrhundert in bedeutende gesellschaftliche Positionen aufstiegen und prachtvolle An- wesen errichteten, von denen noch heute zahlreiche das Ennstal und seine Nebentäler zieren. 796 Die Konjunktur zwischen 1730 und 1780 wurde durch die Aufhebung der Eisenwidmung im Jahr 1781 beendet, als der Preis des Roheisens um 80 bis 100 Prozent anstieg und gleichzeitig um 75 Prozent mehr produziert wurde. 797 Da sich die Sensenschmiede in Krisenzeiten auf ihr zweites ökonomisches Standbein – die landwirtschaftliche Eigenproduktion – verlassen konn- ten, überstanden sie Absatzstockungen besser als andere Eisenhandwerke. 798 Mitte des 18. Jahr- hunderts gab es in der Kirchdorf-Micheldorfer Zunft 36 Meister, die jährlich jeweils 30 Fass Sensen bzw. 24.000 Stück absetzten. 799 Einzig Sicheln, welche ebenfalls von Sensenschmieden hergestellt wurden, begegnen uns bereits in der frühen Unternehmensphase im Sortiment der Koller: Wolf Wilhelm Hoedinger aus Aigen kaufte am Linzer Bartholomäusmarkt des Jahres 1716 – neben zahlreichen anderen Eisengeschmeidwaren (v. a. Nägel) im Gesamtwert von rund 109 Gulden – 2 Bund große Si- cheln zu 1 Gulden und 8 Kreuzern 800 – in einem Bund waren 10 Sicheln zusammengebun- den. 801 Ein zweiter Beleg ist erst wieder aus dem Jahr 1751 überliefert, als Balthasar Moss (oder Moser) die Lieferung und Preise von 500 Stück großen (zu 4 Gulden und 2 Schillingen je 100 Stück), und jeweils 250 Stück 3 Strichl (à 2 Gulden und 2 Schillingen) und 4 Strichl -Si- cheln (à 8 Gulden und 2 Schillingen) bestätigte. Außerdem bat er Maria Elisabetha Koller um 7 oder 8 Taler Geldvorschuss, damit er seine Leidt (Arbeiter) wiedereinstellen könne, was auf eine Verlagsbeziehung schließen lässt. Das Geld solle sie in gangbarer Münze und verpetschiert (versiegelt) seinem Fuhrmann mitgeben. 802 Handelte es sich bei dem schwer leserlichen Baltha- sar Moss um einen Moser, so standen die Koller damals mit einem Spross der fünf zuvor er- wähnten führenden Sensengewerksfamilien in geschäftlicher Verbindung. Diese begegnet uns 795 Franz P ETTER , Über Sensen und Sensenhandel, in: Steiermärkische Zeitschrift 3 (1821), 94–109, hier 100 u. 102. 796 Andreas R ESCH , Die Kirchdorf-Micheldorfer Region – das historische Zentrum des Sensenschmiedehandwerks, in: Helmut Daucher, Hg., Land der Hämmer: Bilder aus der österreichischen Eisenwurzen, Steyr 1998, 111–114, hier 113. 797 Doris C ORRADINI , Vom Meisterzeichen zum Markenzeichen. Die Bedeutung des Markenbeischlages bei den Sensenschmieden, dargestellt am Beispiel des Kirchdorf-Micheldorfer Sensenschmiedehandwerks, in: Anton Eg- gendorfer / Willibald Rosner, Hg., Waidhofen an der Ybbs und die Eisenwurzen: Die Vorträge des 18. Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde Waidhofen an der Ybbs, 6. bis 9. Juli 1998 (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 32), St. Pölten 2004, 176–202, hier 180 f. 798 R ESCH , Region, 113. 799 C ORRADINI , Meisterzeichen, 179 f. 800 StA Steyr, Strazza vom Linzer Bartholomäusmarkt (August 1716), Kasten XII, L4/1 FV 1–80 Nr. 14. 801 P ETTER , Sensen, 106. 802 StA Steyr, Geschäftsbrief bzgl. einer Sichellieferung (8.4.1751), Kasten XII, L3/2 FXXXI 1–146 Nr. 146. Sicheln
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