Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 140 - Werndl oder von der Steyrer Waffenfabrik aufgekauft“, 786 sodass bis um 1900 das Handwerk schließlich verschwand. 787 Sensen, Sicheln und Strohmesser Obwohl Sensen gemeinsam mit den Nägeln die Massenprodukte der vorindustriellen Eisenver- arbeitung darstellten, 788 tauchen sie im Sortiment der Koller erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf und auch dann nur vereinzelt. Sowohl im Übergabesortiment von 1707 als auch in der ersten überlieferten Wareninventur von 1712 scheinen keine Sensenschmiedwaren auf. Das ist umso verwunderlicher, da Johann Josef Kollers zweite Ehefrau eine geborene Hierzenberger war und damit einer weitverzweigten Sensenschmied-Dynastie angehörte. Ihre Eltern waren der Micheldorfer Sensenschmiedmeister Adam Hierzenberger und dessen Frau Magdalena. 789 Adam Hierzenberger war Inhaber der Werkstatt am Windtfeld 790 (oder „Bei der Brücke“) und führte das Zeichen „Fischgräte“. Nach seinem Tod 1706 übernahm sein ältester Sohn aus erster Ehe und damit Halbbruder Maria Elisabetha Kollers – Adam jun. – die Sensen- schmiede. 791 Maria Elisabethas Taufpaten waren der Sensenschmiedmeister Georg Kaltenbrun- ner und dessen Frau Elisabeth. 792 Ebenso wie die Hierzenberger gehörten auch die Kaltenbrun- ner zu den fünf großen Sensengewerks-Dynastien, die untereinander mehrfach verbandelt wa- ren, sodass sich 1784 fast die Hälfte der 100 Sensenhämmer im österreichisch-steirischen Ge- biet im Besitz der Moser, Zeitlinger, Kaltenbrunner, Weinmeister und Hierzenberger befand. 793 Warum aber haben die Koller diese erstklassige Verbindung zu den Sensengewerksfamilien nicht genutzt, um sich intensiv am Sensenhandel zu beteiligen? Die Kirchdorf-Micheldorfer Sensenschmiedmeister waren bereits seit 1671, als ihnen der freie Bezug des Eisenzeugs gewährt wurde, unabhängig von den Verlegern – den Steyrer Bür- gern. 794 Sie waren im Gegensatz zu anderen Kleineisenhandwerkern nicht auf den Vertrieb durch Steyrer Eisenhandelsleute angewiesen, sondern traten direkt in den Kontakt mit den In- teressenten/-innen (z. B. in Krakau, Brody, Breslau, Frankfurt/Main, Basel und Lyon), welche die Sensenmeister besuchten oder mit ihnen auf den Jahrmärkten und Messen (z. B. in Linz) 786 K ROPF , Krise, 135 f. 787 S TAHLSCHMIDT , Nagelschmied, 181. 788 C HALOUPEK u. a., Industriegeschichte, 243. 789 Pfarre Kirchdorf an der Krems, Taufbuch 05 (1689–1716), 101/05, fol. 98. 790 Pfarre Kirchdorf an der Krems, Trauungsbuch 06 (1678–1700), 201/06, 474. 791 S CHRÖCKENFUX , Geschichte, 148 f. 792 Pfarre Kirchdorf an der Krems, Taufbuch 05 (1689–1716), 101/05, fol. 98. 793 C HALOUPEK u. a., Industriegeschichte, 242. 794 F ISCHER , Sensen, 106 u. 109 f. Massenexport- produkt Sense „Schwarze Grafen“

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