Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 139 - die Erzeugnisse kontrollieren – also die Qualität der Nägel prüfen – konnten. Die Nagel-ord- nung legte außerdem fest, zu welchen Preisen diese Nägelsorten von den Losensteiner Nagel- schmieden an ihre Verleger – die Nagelhandelskaufleute in Steyr – abzugeben waren. Benötig- ten Steyrer Bürger Nägel zum Hausbau, waren sie ihnen zum Vorzugspreis zu verkaufen. Am lukrativsten dürfte der Nagelverkauf an Handelsleute der privilegierten Legorte Wien, Krems, Linz, Wels und Freistadt gewesen sein, wo sich die größte Handelsspanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis ergeben konnte. Die Nagelordnung galt ausschließlich für die im Inland nachgefragten Nagelsorten, die nur dann ins Ausland verhandelt werden durften, wenn der hei- mische Markt gesättigt war. Weitere Bestimmungen der Nagelordnung betrafen auch Regelun- gen zur Qualität und zur Nagelbeschau. 778 Diese sollte mindestens einmal monatlich durchge- führt werden, wobei Gewicht und Qualität der Nägel bzw. des Rohmaterials durch eigene Be- schauer geprüft werden sollten. Weil die Beschauer aber aufgrund der weit verstreuten Nagel- schmieden und der nur einmal im Monat stattfindenden Beschau nicht garantieren konnten, dass minderwertige Nägel in den Handel gelangten, wurde zusätzlich eine Pön von 100 Duka- ten gegen Eisenhandelsleute verhängt, die Nägel unabgewogen annahmen. Untergewichtige Nägel hatten sie der Eisenkammer zu übergeben. 779 Diese Nagelordnungen wurden laufend er- neuert und preislich an die Stahl- und Lebensmittelpreise angepasst. 1751 beschlossen die Ei- senobmannschaft und das Berggericht Steyr das Gewicht und die Preise von 41 unterschiedli- chen Nägel- und Zwecksorten. 780 Nägel waren eines der wichtigsten Massenprodukte der vorindustriellen Eisenverarbeitung, wurden jedoch – wie erwähnt – kleingewerblich-hausindustriell hergestellt. Die Produzieren- den „zählten zu den am meisten ausgebeuteten und ärmsten Mitgliedern der großen Familie der Eisen verarbeitenden Betriebe“. 781 Das Ende des Nagelschmied-Handwerks läutete die Draht- stiftemaschine ab den 1820er Jahren in Frankreich ein. 782 Weitere Konkurrenz trat durch eng- lische und holländische Nägel sowie Billignägel aus Böhmen und aus dem Gusswerk bei Ma- riazell 783 auf den Plan, sodass nicht nur der ausländische, sondern auch der inländische Absatz- markt in die Krise geriet. 784 Dennoch wurden in Losenstein, Steyr, Garsten und Ternberg im Jahr 1841 noch immer insgesamt 33 Millionen Nägel und Zwecken hergestellt. 785 „Die klein- betrieblichen Nägelfabriken in Steyr wurden meist von der Draht- und Nägelfabrik Franz 778 StA Steyr, Nagelordnung (3.1.1605), Kasten IV, L39 F1/1 Nr. 6. 779 K ASER , Eisenverarbeitung, 172 f. 780 StA Steyr, Nägelpreisliste (27.9.1751), Kasten XII, L1 FIV 1–451 Nr. 194. 781 C HALOUPEK u. a., Industriegeschichte, 243. 782 S TAHLSCHMIDT , Nagelschmied, 181. 783 Siehe dazu Gertraud W AGENHOFER , Das Eisengußwerk bei Mariazell von seiner Gründung bis zur Übernahme durch das Aerar (1742–1800), Graz 1991. 784 K ROPF , Krise, 120. 785 R OTH , Eisenwarenproduktion, 311. Ende des Nagelhandwerks

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