Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 136 - 1806 folgende Bestellung aufgab: 5.000 Stück 18-pfundige und 6.000 Stück 15-pfundige Bo- dennägel, 5.000 Stück 12-pfundige Lattennägel, 8.000 Stück 10-pfundige Kupfer- oder Latten- nägel, 10.000 mittlere und 10.000 Stück kleine Fassnägel, 10.000 Stück Rahmnägel sowie 12.000 Stück Kardätschennägel. Darüber hinaus forderte er entweder die Preise oder eine Probe von etlichen Tausend Stück Schuh- oder großen Piefelnägeln an, damit er sich ein Bild davon machen könne. 759 Warum aber bestellte ausgerechnet ein Nagelschmiedmeister Nägel bei den Koller? Die enorm große Nachfrage an unterschiedlichen Arten von Nägeln führte zur Ausdif- ferenzierung des Nagelschmiedberufes, sodass die einen Nagelschmiede ausschließlich „weiße“ bzw. verzinnte Nägel (Pinne und Zwecken) herstellten und die anderen Nagelschmiede „schwarze“ Nägel erzeugten (größere Sorten wie Schiffsnägel). 760 Einige Nagelsorten wurden überhaupt von anderen Schmiedeberufen hergestellt, z. B. die Kupfernägel, die aus den Werk- stätten der Kupferschmiede und Kessler stammten. Huf- und Grobschmiede sowie Sägen- schmiede und einige Schlosser stellten ebenfalls ihre Nägel selbst her. 761 Wenn ein Nagel- schmied neben seinem Handwerksberuf außerdem Kramhandel betrieb, so wie es für Poll aus Braunau anzunehmen ist, konnte er seine Produktpalette erweitern, indem er die nicht von ihm selbst hergestellten Artikel von anderen Produzierenden oder Großkaufleuten zukaufte. Nagelschmiede produzierten überwiegend im kleingewerblichen-hausindustriellen Kon- text. 762 Für qualitätsvolle Endprodukte eignete sich am besten der vordere Hackenstahl – ver- boten war es stattdessen, gemeinen Stahl oder gar Eisen zu verwenden, was die hochwertigen oberösterreichischen Nägel deutlich von den in Scheibbs, Gaming, Gresten, Purgstall und Ybbsitz hergestellten Nägeln aus gewöhnlichem Eisen abhob. 763 Ternberg und Losenstein nahe Steyr galten lange Zeit als die Zentren der Nagelproduktion, wobei die Handwerker die Was- serkraft der Enns zu nutzen wussten. 764 1775 waren von 154 Betrieben in ganz Oberösterreich allein 138 im Raum Losenstein ansässig, was einem Anteil von rund 90 Prozent entsprach. 765 Die Produktion und der Vertrieb der Nägel erfolgte im Verlagssystem, 766 was bedeutet, dass die Nagelschmiede Verträge mit den Steyrer Kaufleuten eingingen, wodurch diese zu Verle- gern/-innen wurden. Die Händler belieferten die Schmiede mit Stahl aus Innerberg, nahmen die produzierten Nägel ab und kümmerten sich um deren Verschleiß. Diese Teilung von Produktion und Absatz ging auf das Verbot der Handwerker, mit ihren eigenen Waren Handel zu treiben, 759 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Braunau (12.1.1808), Kasten XII, L3/4 FVIII 1–135 Nr. 30. 760 Reinhold R EITH , Lohn und Leistung. Lohnformen im Gewerbe 1450–1900 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte 151), Stuttgart 1999, 237. 761 K RÜNITZ , Encyclopaedie, Bd. 100, 596–629. 762 K ROPF , Krise, 119 f. 763 K ASER , Eisenverarbeitung, 173 f. 764 K ROPF , Krise, 119 f. 765 A LTZINGER , Entwicklung, 12. 766 S ANDGRUBER , Ökonomie, 117. Nagelproduktion
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