Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 12 - Obwohl sich einige Forschungsmeinungen dafür aussprechen, das Handelshaus der vorin- dustriellen Zeit in das breite Spektrum von Unternehmen einzuordnen, wäre das Koller-Han- delshaus nach vielen Definitionen dennoch zu keiner Zeit in seiner fast 200-jährigen Bestands- geschichte als Unternehmen zu bezeichnen gewesen. Der analytische Begriff des Unterneh- mens wird in dieser Arbeit jedoch bewusst verwendet, da es nicht die eine, zeitlich übergrei- fende Definition von Unternehmen geben kann. 13 Das so häufig beklagte unreflektierte Ver- wenden des Unternehmens-Begriffs 14 stellt meines Erachtens kein Problem dar, sondern ist vielmehr der Grund dafür, warum die Unternehmensgeschichte so viel weiter gespannt ist, als es die meisten einengenden Definitionen von Unternehmen zulassen würden, sodass auch Fall- beispiele aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit, dem Handel und dem Kleingewerbe in diesem Bereich der Geschichtsschreibung ihre Legitimation finden können. Darüber hinaus wird der Begriff „Unternehmen“ unabhängig von seiner Definition implizit oder explizit auch auf Studien über die vorindustrielle Zeit und Frühe Neuzeit – mitunter auch für den Handels- bereich – mit einer gewissen Selbstverständlichkeit verwendet: 1967 dürfte kein Zweifel daran bestanden haben, dass es sich beimWiener Neustädter Groß- kaufmann Alexius Funck (um 1470 bis 1521) um einen Unternehmer gehandelt hatte. Der Wirt- schafts- und Sozialgeograf und Historiker Gustav Holzmann hatte 20 Kurzbiografien von Un- ternehmern aus fünf Jahrhunderten zusammengetragen und als Beitrag zur Unternehmensge- schichte veröffentlicht. 15 In Karl Heinrich Kaufholds Werk über das Gewerbe in Preußen um 1800 fällt ebenso des Öfteren der Unternehmer-Begriff, z. B. wenn es um die „Manufakturun- ternehmer“ oder die „Unternehmer im Metallgewerbe der Grafschaft Mark“ geht. 16 In der vom Ökonomen Günther Chaloupek herausgegebenen Österreichischen Industriegeschichte wird von der 1625 gegründeten Innerberger Hauptgewerkschaft als einem Unternehmen gesprochen, wenngleich die Strukturen der Organisation stark vom zünftigen Handwerk bestimmt waren. 17 Michael North verwendet in seinem enzyklopädischen Überblick über Kommunikation, Han- del, Geld und Banken in der Frühen Neuzeit den Begriff des Unternehmens für Handelshäuser 13 Stefan G ORIßEN , Unternehmer, in: Enzyklopädie der Neuzeit 13, Stuttgart u. a. 2011, 1083–1089, hier 1083– 1084. 14 B ANKEN , Bemerkungen, 9; Stefan G ORIßEN , Vorindustrielle Unternehmer? Ökonomische Akteure und Betriebs- formen im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Ralf Banken, Hg., Die Entstehung des modernen Unternehmens 1400–1860 (Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2), Berlin 2012, 39–62, hier 39. 15 Gustav H OLZMANN , Unternehmer aus Niederösterreich. Handwerker, Kaufleute und Industrielle aus 5 Jahrhun- derten (Schriftenreihe der Handelskammer Niederösterreich 7), Wien 1967, [o. S.]. 16 Karl Heinrich K AUFHOLD , Das Gewerbe in Preußen um 1800, Göttingen 1978. 17 Günther C HALOUPEK u. a., Hg., Österreichische Industriegeschichte. Bd. 1: 1700 bis 1848 – Die vorhandene Chance, 3 Bde., Wien 2003, 49 f. „Unternehmen“ als analytischer Begriff Unternehmen in der Vormoderne

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