Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 115 - als Handelsdiener empfahl, strich er in seinem Bewerbungsschreiben sein gutes Benehmen und seine Pünktlichkeit sowie sein Streben nach der Erweiterung seiner Kenntnisse und der Vere- delung seiner Persönlichkeit heraus. Er hatte offenbar in einer Spezereiwarenhandlung gelernt und beherrschte die französische Sprache, hatte darüber hinaus aber auch Grundkenntnisse in Italienisch, die er zu vertiefen wünschte. 625 Seine Bewerbung war als Bitte um Weiterempfeh- lung bei befreundeten Spezereiwarenhändlern zu verstehen. Riezberger führte jene Qualifika- tionen an, die laut zeitgenössischer Kaufmannsliteratur gefragt waren. Handelsdiener sollten schließlich die Fähigkeit erlangen, ihre/-n Prinzipal/-in zu vertreten, wenn sich diese/-r auf Rei- sen befand, wozu dessen/deren Vertrauen notwendig war, sodass er/sie ihm Prokura und die Direktion der Handlung übertrug. 626 Zu den Aufgaben einfacher Handelsdiener hingegen gehörte z. B. das Abholen der Post, das Übergeben derselben an den/die Prinzipal/-in, das Anbringen von Eingangs-Vermerken an den Briefen, das Kopieren bzw. Abschreiben von Briefen, das Aufgeben ausgehender Briefe, der Verkauf von Waren, das Spedieren von Gütern sowie das Unterstützen der Buchhalter und Kas- siere. Bewies er Fleiß, Integrität, Sorge und Treue in diesen Arbeiten, stieg er auf der Karriere- leiter zunächst zum Kassier auf. 627 Der Beruf des Handelsdieners wurde seit der Mitte des 16. Jahrhunderts differenziert in Schreiber und Kopisten, Kassiere, Buchhalter, Hauptbuchhal- ter und Faktoren. 628 Vor allem in größeren Handelshäusern konnte es mehrere Handelsdiener mit spezialisierten Erfahrungen und Kompetenzen geben – in kleineren hingegen erfolgte oft keine Differenzierung der Handelsbedienten. 1787 bewarb sich ein Aloisius Peyrschmidt zum bereits zweiten Mal bei Jakob Koller um eine halbjährige Anstellung in Waidhofen an der Ybbs, nachdem dieser gehört hatte, dass Kol- ler dort ein Subiect benöthiget . Im kurz gehaltenen Brief, der aus Wien abgesandt wurde, verlor Peyrschmidt kein Wort über seine Qualifikationen oder Gehaltsvorstellungen, was sich mit dem Hinweis auf seine inzwischen zweite Bewerbung erklären lässt. 629 Bei der von Peyrschmidt angestrebten Stelle handelte es sich wohl um eine Art Handelsver- treter, der sich insbesondere an bedeutenden Handelsplätzen (wie z. B. Leg- oder Jahrmarkts- orte) aufhielt, an denen auch Markthelffer beschäftigt waren. Ein solcher händigte der Firma Leopold Huber & Co. in Wien um 1806 je 20.000 Stück 12-pfundige und 10-pfundige Latten- nägel aus, wozu Josef von Koller eine Rechnung ausstellen sollte. 630 Ein einziges Mal wurde 625 StA Steyr, Bewerbungsschreiben (24.10.1808), Kasten XII, L3/3 FV 1–64 Nr. 30. 626 M AY , Versuch, 309. 627 S PREANDER , Der vollkommene Kauf- und Handels-Mann, Frankfurt / Leipzig 1729, 135–137. 628 N ORTH , Kommunikation, 71. 629 StA Steyr, Bewerbung (16.11.1787), Kasten XII, L3/2 FXII 1–136 Nr. 3. 630 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wien (22.2.1806), Kasten XII, L3/3 FXVII 1–129 Nr. 76. Aufgaben und Berufsspeziali- sierung Bewerbung Peyrschmidts Markthelfer

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