Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 114 - Nadler werden wollte. 616 1751 bildete die Kollerin nachweislich zwei Lehrjungen aus, die als Mitglieder ihres Haushalts vom Schneider Sigmund Heindl mit Kleidung ausgestattet wurden. Dem Lehrjungen Wolferl wurden aus braunem Tuch ein neuer Rock gemacht und ein Rock und eine braune Weste ausgebessert. Dem kleinen Lehrjungen hingegen wurde eine blaue Weste gleich zwei Mal ausgebessert und aus einem braunen Rock eine Weste gemacht. 617 Vom Hand- schuhmacher Adam Martin Riesteder wurden die beiden Lehrlinge in diesem Jahr außerdem mit neuen Hosen ausgestattet: Der größere Jung sowohl im April als auch zu Weihnachten und der glainere Jung im September. 618 Es wäre denkbar, dass es sich bei dem älteren Lehrjungen um Langer handelte, sofern seine Lehre – wie bei Haslinger 1729 – sechs Jahre dauerte. 619 Während der Lehrling auch banale Arbeiten wie das Schuheputzen und Auskehren des Kon- tors zu verrichten hatte, vom/von der Prinzipal/-in geduzt wurde und außerdem mit dem Ge- sinde essen musste, genoss ein Handelsdiener nach abgeschlossener Lehrzeit einige Vorzüge, sodass von einem sozialen Aufstieg zu sprechen ist. Ein freigesprochener Handelsdiener aß mit seinem/-r Prinzipal/-in am Tisch, wurde von ihm/ihr gesiezt, kleidete sich anständiger als ein Lehrling, da er ein jährliches Salarium erhielt, und wurde wohl auch in einer eigenen Kammer mit sauberem Bett untergebracht. Außerdem genoss er größere Freiheiten als ein Lehrling, wie das Ausgehen am Sonntag nach dem Gottesdienst – solange er zur Essenszeit und vor dem Abschließen des Hauses wieder zurück war. 620 Bevor sich ein junger, frisch ausgelernter Handelsdiener aber selbstständig machen konnte, sollte er zunächst einige Jahre in unterschiedlichen Handelshäusern zugebracht haben, um Ein- sicht in verschiedene Arten von Handlungen zu erlangen. 621 Zu den idealen Eigenschaften von Handelsdienern im Allgemeinen zählten laut Paul Jacob Marperger 622 unter anderem Gottes- furcht, Klugheit, Wahrheitsliebe, Gerechtigkeit, Treue, Fleiß, Sorgfalt, Mäßigkeit, Genügsam- keit und Gelassenheit. 623 Ähnliche Eigenschaften zählte auch May auf, der darüber hinaus noch die „Beförderung des Wohlstandes dessen, dem man dienet“ und das Hüten vor Ausschweifun- gen empfiehlt. 624 Als sich Sylvester Josef Riezberger aus Linz im Jahr 1808 bei Josef von Koller 616 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Zell (23.7.1748), Kasten XII, L3/4 FXVIII 1–134 Nr. 45. 617 StA Steyr, Schneiderrechnung (1751), Kasten XII, L3/3 FIX 1–55 Nr. 19. 618 StA Steyr, Handschuhmacherrechnung (31.12.1751), Kasten XII, L3/3 FIX 1–55 Nr. 42. 619 StA Steyr, Lehrvertrag (nach Ostern 1729), Kasten XII, L1 FI 1–108 Nr. 43. 620 Paul Jacob M ARPERGER , Getreuer und Geschickter Handels-Diener […], Nürnberg / Leipzig 1715, 505 f. 621 M AY , Versuch, 310 f. 622 Paul Jacob Marperger wurde 1656 in Nürnberg geboren und war Staatswissenschaftler, der Handbücher für Kaufleute schrieb. Seine Schriften waren für die Zeitgenossen/-innen von großer Bedeutung und weit verbreitet; z. B. verfasste er ein Handbuch für die Vorbereitung und Durchführung von Geschäftsreisen; siehe Cornelius N EUTSCH / Harald W ITTHÖFT , Kaufleute zwischen Markt und Messe, in: Hermann Bausinger u. a., Hg., Reisekul- tur: Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, München 1991, 75–82, hier 76. 623 M ARPERGER , Handels-Diener, 124 f. 624 M AY , Versuch, 302. Vom Lehrling zum Diener Fähigkeiten der Handelsdiener
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