Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 113 - des Vertragsabschlusses waren beide Elternteile bereits verstorben, weshalb Franz Karl Haider, (Postmeister in Kemmelbach, Neumarkt an der Ybbs) und Leopold Joseph Ziegler (Ratsbürger und kaiserlicher Salzfertiger ), mit ihrer Unterschrift für jede Veruntreuung oder vorsätzlichen Schaden, den Haslinger in seiner Lehrzeit bei Koller verursachen könnte, bürgten. 609 Lehrlings- verträge wurden in der Regel zwischen dem zukünftigen Lehrherrn und dem Vater, der Mutter, dem Bruder oder einem anderen Verwandten des Lehrlings geschlossen. Diese Person ver- pflichtete sich mit ihrer Unterschrift dazu, für jedweden durch den Lehrling entstandenen Scha- den aufzukommen, wozu auch die Kosten für das „Einfangen“ des Lehrlings zählte, wenn die- ser vor Abschluss der Ausbildung flüchtete. 610 Weitere Vertragsinhalte bezogen sich auf Haslingers Verpflichtung zu Treue, Fleiß und Ge- horsam gegenüber seinem Lehrherrn, dessen Frau sowie den Angehörigen und den Dienst nicht vorzeitig zu kündigen. Sollte er jedoch einen ungebührlich-sträflichen Lebenswandel an den Tag legen und den Vertrag brechen, hatte Koller das Recht ihn zu beurlauben und war ihm im geringsten kheinen Abschiedt zu geben schuldig . Koller andererseits versprach dem Lehrjungen Kost und die notwendige Kleidung zur Verfügung zu stellen und ihm zum Abschluss der Lehr- zeit ein neues Lehrkleid und einen Mantel aus mährischem oder anderem guten Tuch zu schen- ken. 611 Es finden sich jedoch weder Hinweise auf das Lehrgeld, welches der Lehrjunge seinem Prinzipal zu zahlen hatte, noch auf die Zusicherung der Versorgung im Krankheitsfall, so wie es eigentlich üblich war. 612 Unerlässlich für Lehrlinge im Handel war es, das Schreiben, Rechnen und Fremdsprachen (vor allem Französisch und Italienisch) zu beherrschen. Kaufmannsliteratur aus dem 18. Jahr- hundert wie Mays „Einleitung in die Handlungs-Wissenschaft“ (1786) empfahl den Lehrlingen außerdem, neben dem Unterricht durch den Prinzipal auch Bücher über das Handelswesen so- wie Reisegeschichten zu lesen, um sich selbständig weiterzubilden. 613 Eine kaufmännische Lehre konnte zwischen sechs und sieben Jahren dauern 614 und sollte angetreten werden, nach- dem der Jüngling eine gute, allgemeine Bildung genossen hatte – also für gewöhnlich im Alter zwischen 15 und 18 Jahren. 615 Ein weiterer Hinweis auf einen Lehrling findet sich bei den Koller erst wieder 1748, als Johann Josef längst verstorben war und seine Witwe als Inhaberin und Geschäftsführerin einen gewissen Langer beschäftigte. Über ihn ist nicht mehr bekannt, als dass er nach seiner Lehrzeit 609 StA Steyr, Lehrvertrag (nach Ostern 1729), Kasten XII, L1 FI 1–108 Nr. 43. 610 S TOLTERFOHT , Südfrüchtehändler, 235 f. 611 StA Steyr, Lehrvertrag (nach Ostern 1729), Kasten XII, L1 FI 1–108 Nr. 43. 612 S TOLTERFOHT , Südfrüchtehändler, 235 f. 613 M AY , Versuch, 298 f. 614 Ebd., 315. 615 L EUCHS , Gedanken, 92. Vertragsbestand- teile Lehrlings- Ausbildung Weitere Lehrlinge bei den Koller
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