Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 110 - keiten unterrichtete. Von Josef von Koller gingen Haus und Handlung 1856 schließlich an des- sen Schwiegertochter Anna (geb. Lechner) über, eine Feilhauerstochter aus Steyrdorf und Ehe- frau des Karl Josef Johannes von Koller (genannt Karl), der als Handelsgesellschafter am Stadt- platz Nr. 16 bezeichnet wurde. Auch Anna könnte einerseits von ihren Eltern und andererseits bei ihrem Ehemann jene Fertigkeiten erworben haben, die zur Führung eines Geschäfts nötig waren. Der erfahrene Kaufmann Josef von Koller hätte sein Haus und seine Handlung am Stadt- platz Nr. 11 wohl kaum seiner Schwiegertochter vermacht, wenn er kein Vertrauen in ihre un- ternehmerischen Fähigkeiten gehabt hätte. Sonst hätte er das Haus ebenso seinem Enkel Karl von Koller jun. – Annas Sohn – vermachen können, der 1835 geboren wurde und 1856 bereits 21 Jahre alt und damit nur drei Jahre vor der Volljährigkeit stand. 594 Er beerbte seine Mutter schließlich mit deren Tod im Jahre 1869 und übernahm die Geschäftsleitung am Stadtplatz Nr. 11. Auch über seine Ausbildung ist aufgrund fehlender Quellen nichts bekannt. Die praktische Ausbildung – egal ob im elterlichen Haus, in fremden Unternehmen oder im Ausland – wurde seit Anfang des 16. Jahrhunderts verstärkt von gedruckten Rechenbüchern als Lehrbücher ergänzt. Diese Rechenbücher zielten darauf ab, in die Kunst des Rechnens einzu- führen und demonstrierten zugleich die praktische Anwendung im kaufmännischen Leben. 595 Den Steyrer Kaufleuten dürfte das Kaufmanns-Lehrbuch von Michael Scherhauff wohl bekannt gewesen sein. 596 Auch der Steyrer Schulmeister Kaspar Thierfelder schrieb so ein Rechenbuch, welches einen „Einblick in das allgemeine Niveau der Handelsgeschäfte“ gab, da er Beispiele aus der Praxis – wie die Eisensatzordnungen – verwendete. 597 Das Rezipieren von Kaufmanns- literatur erforderte jedoch einen gewissen Grad an Bildung – zumindest die Fähigkeit zu le- sen. 598 Ebenso wie die Sprösslinge der Steyrer Kaufleute zur Ausbildung nach Italien gingen, waren die italienischen Kaufleute darum bestrebt, ihre Söhne im deutschsprachigen Raum ausbilden und Erfahrung sammeln zu lassen. Natürlich war dies besonders bei jenen Kaufleuten der Fall, die entsprechende Interessen verfolgten und bei denen Kenntnisse über Sprache, Währung, Handelsgebräuche und anderes für intensive Handelsbeziehungen in den deutschen Sprachraum 594 In Steyr galten Männer mit 24 Jahren und Frauen mit 20 Jahren als volljährig; siehe StA Steyr, Erbschaftsan- gelegenheit (1752/1768), Kasten XII, L1 FIV 1–451 Nr. 437. 595 H OFFMANN , Rechenbuch, 677. 596 Michael S CHERHAUFF , Handelsbuch Vienn nach Venedig oder Venedig Wienn, Wien 1563; siehe O FNER , Han- delsleute, 36. 597 H OFFMANN , Rechenbuch, 688; Kaspar T HIERFELDER , Arithmetica oder Rechenbuch, auff den Linien vnd Zif- fern … gründlich beschrieben, inn Frag vnd Antwort gestellet, Nürnberg 1587. 598 Daniel A. R ABUZZI , Eighteenth-Century Commercial Mentalities as Reflected and Projected in Business Hand- books, in: Eighteenth-Century Studies 29/2 (1995/1996), 169–189, hier 173. Rechenbücher Lehre bei den Koller
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