Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 107 - 1.950 Lira – wobei die Zeit, in der sich Koller außerdem in Treviso aufgehalten hatte, nicht miteingerechnet wurde. 586 Über Josef Antons Zeit in Treviso gibt es zwar keine weiteren Quellen, jedoch hatte sich im Mai 1751 dort auch sein jüngerer Bruder Franz Wolfgang (1731–1816) aufgehalten. Franz Wolfgang schrieb von dort einen Brief an Josef Anton, der inzwischen wieder nach Steyr zu- rückgekehrt war – auf Italienisch. Beide Brüder konnten sich zu diesem Zeitpunkt also schon in der Sprache der Kaufleute verständigen. 587 Zwischen 23. Dezember 1751 und 5. Juni 1753 hatte sich schließlich auch Franz Wolfgang bei Lorenzo Giacomo Mehling in Venedig aufge- halten, der wiederum 1.841 Lira für Kleidung, Perücken, Textilien, Malereien, Accessoires wie Spangen für die Strümpfe, Schneiderarbeiten, Taschentücher und anderes in Rechnung stellte. Hinzu kamen weitere 1.120 Lira für Kost, Wäscher-Lohn, Medicin, und anders. Auch er wurde von einem Maestro di Conti unterrichtet, der monatlich mit 11 Lira entlohnt wurde. Umgerech- net beliefen sich die Kosten auf rund 592 Gulden, wie am Fuß der Rechnung notiert wurde. 588 Aufgrund einer Reihe von Beispielen aus dem Spätmittelalter ist bekannt, dass die deutschen Kaufleutesöhne in Venedig die italienische Sprache, das Rechnen bei einem Rechenmeister und das Buchhalten – mitunter sogar in einer Schule – erlernten. 589 Die Koller-Brüder verbrachten ihre frühen Zwanziger jeweils eineinhalb Jahre in Venedig sowie mehrere Monate in Treviso, wo sie höchstwahrscheinlich die genannten Fähigkeiten erlernen oder vertiefen wollten. Es liegt nahe, dass schließlich auch der dritte Koller-Bruder – Jakob (1739–1798) – eine Lehrzeit bei Mehling absolvierte. Darauf weist ein relativ ordentlich geführtes Kaufmannsno- tizbuch aus den Jahren 1753 und 1754 hin, welches keinem/-r Schreiber/-in eindeutig zugeord- net werden kann. 590 Die erste Seite trägt die Überschrift Conto finto – „eine erdichtete Rech- nung, wenn man sich von einem andern Orte eine imaginäre Einkauf- od. Verkaufrechnung senden läßt, um seine Calculation darnach zu machen.“ 591 Mit dieser fiktiven Rechnung wurden die Unkosten des Imports von Puderzucker aus La Rochelle – einer der größten Häfen Frank- reichs – über das Meer nach Venedig errechnet. Nach dem Conto finto folgten ähnliche Rech- nungen für zwei Fässer Kaffee und ein Fass Indigo – ebenfalls aus La Rochelle. Die drei Rech- nungen schlossen ab mit der – natürlich abgeschriebenen und nicht originalen – Unterschrift von Wilhelm Christian Emmerth. Weiters finden sich im Buch Kopien von Rechnungen (häufig 586 StA Steyr, Rechnung aus Venedig (9.6.1749), Kasten XII, L1 FII 1–95 Nr. 85. 587 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Treviso (22.5.1751), Kasten XII, L3/2 FXXXI 1–146 Nr. 120. 588 StA Steyr, Rechnung aus Venedig (5.6.1753), Kasten XII, L1 FIV 291–451/1 Nr. 320. 589 Henry S IMONSFELD , Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch-venetianischen Handelsbeziehun- gen. Quellen und Forschungen, 2 Bde., Stuttgart 1887, 39 f. 590 StA Steyr, Kaufmannsbuch (1753–1754), Kasten XII, L4/3 FIV 1–27 Nr. 25. 591 Heinrich August P IERER , Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. Oder neuestes encyclopädi- sches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Bd. 4: China–Deutsch-Krone, 4. Auflage, Altenburg 1858, 410. Franz Wolfgang in Venedig Weiteres Notiz- buch
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