Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 106 - Vielleicht hatte er vor seiner Rückkehr nach Mauthausen sogar noch weitere Erfahrungen im Handelsberuf gesammelt, denn nach einer ersten Ausbildung im elterlichen oder verwandt- schaftlichen Betrieb zog es zahlreiche junge Kaufleute in fremde Handelshäuser, um sich dort weitere Fähigkeiten anzueignen. Hoffmann sah aufgrund der weitreichenden Handelsbeziehun- gen Steyrs eine Notwendigkeit darin, den Söhnen der Steyrer Bürger eine gute Ausbildung „in den kaufmännischen Fächern“ zukommen zu lassen. 581 Aufgrund der Jahrhunderte langen Be- deutung Venedigs für Steyr liegt es nahe, dass diese Ausbildung in der Lagunenstadt und Han- delsmetropole erfolgte. Schließlich war Venedig zum Ende des Mittelalters „[…] und noch lange Zeit darnach [sic!], die hohe Schule der süddeutschen Kaufleute. Man musste in Venedig gewesen sein, wenn man daheim was gelten sollte.“ 582 Tatsächlich zog es besonders viele Kauf- mannssöhne aus Süddeutschland nach Venedig. 583 Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde daneben auch Triest immer bedeutender für Steyr – dort jedoch wehrten sich die griechischen Großkaufleute dagegen, junge deutsche Geschäftsleute auszubilden, da sie sich damit ihre ei- gene Konkurrenz im Levantehandel anzulernen befürchteten. 584 Auch die Söhne Johann Josef Kollers zog es zur Ausbildung nach Venedig: Vom 5. Novem- ber 1747 bis zum 9. Juni 1749 hielt sich Josef Anton (1727–1777) nachweislich beim langjäh- rigen Geschäftspartner der Familie – Lorenzo Giacomo Mehling – auf. Den Aufenthalt doku- mentiert eine überlieferte Ausgaben-Aufstellung, mit der Mehling für den mehrjährigen Auf- enthalt des damals 20-jährigen Josef Antons insgesamt 3.958 Lira und 15 Centesimi in Rech- nung stellte. Darin finden sich regelmäßige Zahlungen an den maestro di conti (ein Rechen- meister), 585 von dem Koller unterrichtet wurde. Die weiteren Posten betreffen Perücken, So- cken, Halstücher, Hirschleder, Gämsenleder, Hemden, diverse Waren von Signore Franceschetti und Zahlungen an einen Schneider. Sogar als Koller im September 1748 krank wurde, trug sein Lehrherr Mehling die Kosten über rund 50 Lira, um den Chirurgen für das Schröpfen ( mettere le ventose ) und Aderlassen ( cavare sangue ) sowie den behandelnden Arzt zu bezahlen. Zuletzt verrechnete er ihm per donzena, allogio, lavandera, e barne chiere 581 Alfred H OFFMANN , Das Rechenbuch des Steyrer Rechenmeisters Caspar Thierfelder vom Jahre 1587 als wirt- schaftsgeschichtliche Quelle, in: Hermann Kellenbenz / Jürgen Schneider, Hg., Mittelmeer und Kontinent: Wirt- schaftskräfte und Wirtschaftswege, Festschrift für Hermann Kellenbenz (Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte 4), Stuttgart 1978, 677–693, hier 679. 582 B. G REIFF / Lucas R EM , Tagebuch des Lucas Rem aus den Jahren 1494–1541. Ein Beitrag zur Handelgeschichte der Stadt Augsburg, Augsburg 1861, 13. 583 Cecilie H OLLBERG , Deutsch-venezianischer Handelsalltag im 15. Jahrhundert, in: Mark Häberlein, Hg., Prak- tiken des Handels: Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und früher Neuzeit, Konstanz 2010, 227–244, hier 227. 584 Peter G ASSER , Die Entwicklung des Seehandels in Triest in der Zeit Maria Theresias und Josephs II., Phil. Diss., Wien 1940, 160. 585 N. N., Neues deutsch-italiänisches Wörterbuch. Bearbeitet nach Adelungs deutschemWörterbuche als zweyter Theil des neuen italiänischen Wörterbuchs, Leipzig 1789, Sp. 1563. Josef Anton Koller in Venedig

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