Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 105 - Das Erlernen all dieser Fähigkeiten erfolgte in erster Linie im Elternhaus, was bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich war. Haushalt und Betrieb waren so eng miteinander ver- knüpft, dass die Kindererziehung ebenso wie die Ausbildung von der Lehre bis zur Gesellen- prüfung im elterlichen Betrieb oder Laden erfolgte. 578 Für Johann Josef Koller kann davon aus- gegangen werden, dass er eine Lehre bei seinem Vater oder seinem später in Steyr niedergelas- senen Onkel absolvierte, denn beide waren erfolgreiche Handelsmänner. Ein Kaufmannsnotiz- buch im Koller-Archiv belegt, dass diese Praxis in der Familie Koller tatsächlich zur Anwen- dung kam. Das am Umschlag mit Alhier Stachel und Eissen Empfang und Abgabs Memmorial 1660 beschriftete Buch stammt ursprünglich aus den Geschäftsunterlagen der Vorbesitzer von Stadtplatz Nr. 11 und wurde aufgrund der zahlreichen unbenutzten Seiten zu einem Notizbuch umfunktioniert, welches Johann Josefs jüngerem Bruder zugeschrieben werden konnte. Im Buch signierte er: Hannß Adam Kholler in Mauthaussen ist dieses Buech gehörig. Anno 1708 in Jahr. Johann Adam war zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt und ist Johann Josef wohl von Mauthausen nach Steyr gefolgt, um bei ihm eine Lehre zu absolvieren – so wie einst Johann Josef seinem Onkel Johann Georg nach Steyr zur Kaufmannsausbildung gefolgt sein könnte. 579 Das Buch enthält Notizen über kaufmännische Angelegenheiten und Geschäfte, Kritzeleien von Pferden und einem Haus, Alphabete, Brieffloskeln und Anmerkungen, wie z. B. die folgende: Anno 1707 hat mein Brueder das Hauß gekhaufft mitsamt der Handlung 1707. An anderer Stelle findet sich ein Reim: Dieses Bichel ist mir lieblieb, wer mirs stelt der ist ein Dib. Wer mirs aber wirderumb geit, ist so guet als andero Leyd. Es scheint so, als hätte Johann Adam während seiner Lehrzeit bei seinem älteren Bruder darin allerlei niedergeschrieben, was ihm im Rahmen seiner Ausbildung als wichtig erschien. Immer wieder wiederholte er die Buchstaben des Alphabets und auf einer Doppelseite schrieb er gängige Phrasen nieder, die in der Korrespondenz häufig verwendet wurden. Er notierte z. B. unterschiedliche Anreden und Einleitungen, wobei es sich auch um Diktate seines Bruders und Lehrherrn gehandelt haben könnte: Woll Edel und gestreng-besonders hoch-geehrtist; Hoch- werhrteste Herr und Frau; Habe hiemit gehors. kundt zu machen […]. 580 Johann Adam hatte sich mit seiner Lehre in Steyr wohl darauf vorbereitet, später mit seinen Brüdern die väterliche Handlung „Jakob Koller sel. Erben“ in Mauthausen zu übernehmen. 578 K OCKA , Familie, 103. 579 Pfarre Mauthausen, Taufbuch 03 (1681–1704), 101/03, fol. 39. 580 StA Steyr, Memorial (1660–1744), Kasten XII, L4/4 FIV 1–27 Nr. 5. Ausbildung bei den Koller Schreiben Ausbildung im Ausland

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