Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 100 - betrieben. 559 Weiters wäre auch möglich, dass Koller eine Funktion im Zwischen- oder Kom- missionshandel einnahm: Als Zwischenhändler hätte er Waren empfangen und versandt, ohne etwas davon in Steyr abzusetzen. Als Kommissionär hingegen hätte er auf fremde Rechnung, aber gegen eine Provision, den Absatz für fremde Kaufleute organisiert. Belegbar ist dieses Vorgehen jedoch erst für das Jahr 1787 bzw. für Johann Josef Kollers Sohn Jakob: Die überlie- ferte Geschäftskorrespondenz Anton Pavinattis zeugt davon, dass Jakob Koller den Warenver- kauf für den Triester Kaufmann organisierte. Während nämlich zahlreiche Sendungen von Knoppern und Südfrüchten nach Steyr nachzuweisen sind, gibt es keinen einzigen Hinweis da- rauf, dass es auch zu Gegengeschäften kam – also dass Pavinatti umgekehrt die Eisenwaren Kollers in Triest absetzte. Es ist sogar ausdrücklich die Rede davon, dass Koller den Verschleiß von Pomeranzen (Bitterorangen), Limoni (Zitronen), Weinperl (Weinbeeren) und Rosinen auf Pavinattis Rechnung besorgen sollte. 560 Es handelte sich dabei um sogenannte „welsche Früchte“, die seit circa 1700 vermehrt eingeführt wurden. 561 Da Koller Pavinattis Bitte einmal nicht schnell genug nachgekommen war, wurde er von ihm – enttäuscht vom mangelnden En- gagement des Steyrers – im April 1787 mehrfach darum ersucht, die Waren schleunigst zu ver- kaufen. Pavinatti befürchtete, dass die Früchte wahrscheinlich schon zeitig waren. 562 Der Ver- dacht, Koller könnte als Kommissionär tätig gewesen sein, erhärtet sich anhand eines weiteren Briefes, in dem Johann Schäder aus Mauthausen Koller darum bat, die drei bei Koller in Steyr stehenden Fässer Wallain (Galläpfel) durch den Schiffmeister Lämpelstorfer nach Mauthausen zu schicken. Das Fass Nr. 3 hingegen solle zunächst bei Koller bleiben, denn es sei für Franz Ametshofer (Lederermeister in St. Peter) bestimmt. 563 Im Laufe der Zeit vollzog sich der Wandel hin zum spezialisierten Eisenwarengeschäft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umfasste das Sortiment der Firma „Johann Josef Kol- lers sel. Witwe & Erben“ ausschließlich Artikel aus Eisen und Stahl und andere Metallwaren 564 – viele dieser Waren sind in zeitgenössischen Katalogen und Musterbüchern abgebildet. 565 Lager von Bohrern Brunnbüchsen Eisen- und Messingdraht Drahtstifte 559 Ebd., 453. 560 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Triest (18.4.1787), Kasten XII, L3/2 FXII 1–136 Nr. 71. 561 T REMEL , Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 271. 562 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Triest (11.4.1787), Kasten XII, L3/2 FXII 1–136 Nr. 64. 563 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Mauthausen (9.3.1787), Kasten XII, F3/2 FVI 1–69 Nr. 15. 564 Privatsammlung Ernst Schimanko, Rechnung für Christoph Piesslinger (nach 1850). 565 Einen guten Überblick dazu bietet Ottfried D ASCHER , Hg., „Mein Feld ist die Welt.“ Musterbücher und Kata- loge 1784–1914. Eine Ausstellung der Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv Dortmund in Zusammenarbeit mit dem Westfälischen Museumsamt Münster, Dortmund 1984. geschmiedete Maschinen- und Por- zellannägel Tafelmesser Fischangeln Sortiment im 19. Jahrhundert
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