Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 99 - das Bürgerrecht verwehrt bleiben und ihm auch kein offenes Gewölbe gestattet sein, ehe er nicht auch das Haus von Koller gekauft habe, in dem sich die Handlung befand. 553 Tatsächlich erklärte Johann Josef Koller in der Stadtratssitzung vom 22. Jänner 1716, das er khünftig bey der Eysen und Gschmeidhandlung allein zu verbleiben gedenkhe . 554 Gleich an- schließend an Kollers Erklärung beantragte sein Handelsdiener Johann Friedrich Winterl das Bürgerrecht auf die Tuch-, Seiden- und Spezereiwarenhandlung. Der Magistrat gestattete ihm das Bürgerrecht unter der Bedingung, dass sich Winterl innerhalb eines halben Jahres ein Haus kaufe – ansonsten würde es ihm wieder entzogen. 555 1716 markiert demnach die Spezialisierung Johann Josef Kollers zum Eisen- und Ge- schmeidwarenhändler, jedoch lassen sich in den folgenden Jahrzehnten weiterhin Nachweise für Geschäfte mit Textil-, Spezerei- und Materialwaren finden. Ein Verzeichnis der Güter, die Koller im Jahr 1718 bei der Stadtwaage abwiegen ließ, listet insgesamt rund 4.186 Zentner (234.416 Kilogramm) an Waren auf. Darunter befanden sich vor allem Weinpör (Weinbeeren), Schmalz, Wachs, Reth (Färberröte), Rohl Rosingen , Muskat, Leinwat (Leinwand), Geschmeide, Mandeln, Baumöl (Olivenöl), türkisches Garn, Kamelhaar, rotes Garn, Messer, Tuch sowie Honig und Hering. Der Waagmeister Albrecht Stadler stellte für diese Güter, die seine Stadt- waage passierten, 65 Gulden in Rechnung. 556 Zehn Jahre später ist eine weitere solche Güter- aufstellung überliefert, wobei auch hier noch immer Johann Albrecht Stadler als städtischer Waagmeister fungierte, der durch das Jahr hindurch insgesamt 1.453 Zentner (81.368 Kilo- gramm) für Koller abgewogen hatte. Dieser Waagzettel liefert einen Überblick über die Waren, die Koller 1728 aus der Stadt ausführen bzw. in die Stadt hineinführen ließ: Leinwand, Färber- röte, Tuch, türkisches und rotes Garn, Schurwolle, Gewandbesen, Schweineborsten, Kamel- haar, Wachs, Wein, Baumöl, Kerzen, Schmalz, Weintrauben, Safran und Muskat sowie zahl- reiche Fässer Geschmeide. 557 Dass bei Koller weiterhin diese Güter auftauchen, obwohl er sich 1716 eigentlich zum aus- schließlichen Eisenwarenhandel bekannt hatte, weist darauf hin, dass die verfügte Gewerbetei- lung womöglich nicht erfolgreich durchgesetzt werden konnte 558 und die Eisenhändler Steyrs – in Auslegung ihrer mittelalterlichen Privilegien – weiterhin Geschäfte mit anderen Artikeln 553 StA Steyr, Beschwerdebrief (15.1.1716), Kasten XII, L1 FI 1–108 Nr. 5. 554 StA Steyr, Stadtratssitzung (22.1.1716), Regal 1, Stadtratsprotokolle, Bd. 123 (1716), 20 v. 555 Ebd., 21 r. 556 StA Steyr, Güterverzeichnis der Stadtwaage (31.12.1718), Kasten XII, L4/3 FIV 1–27 Nr. 22. 557 StA Steyr, Warenverzeichnis (31.12.1728), Kasten XII, L4 FV 1–80 Nr. 80. 558 Alfred Hoffmann schreibt in seiner Wirtschaftsgeschichte Oberösterreichs: „[…] denn in der von Leopold I. verfügten ‚Bürgerlichen Gewerbsabteilung in der Stadt Steyr‘ hat man VERSUCHT [Hervorhebung durch die Verf.], die Handelsleute der Stadt Steyr in zwei streng getrennte Klassen zu scheiden, […].“; siehe H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 206. Aufgabe des Detailhandels Spezerei- und Materialwaren 1718 und 1728 Koller als Kommissionär

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