Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 98 - 1701 erlassen und zur Verabschiedung an die niederösterreichische Regierung und Kammer übergeben wurde, war die Gewerbeteilung 1707 – als Johann Josef Koller um das Bürgerrecht ansuchte – zwar noch nicht erfolgt, dürfte aber unmittelbar bevor gestanden haben. Der Stadtrat gestand Koller das Bürgerrecht nur unter der Bedingung zu, dass dieser der nechst erwarthen- den Gewerbs Separations Resolution, wie andere Bürger, sich zu unterwerffen verbunden ist. 547 Die angekündigte Gewerbeteilung gab Johann Josef Koller wohl den Anstoß, den Kleinhan- del mit Textil- und Spezerei-/Materialwaren aufzugeben und sich auf den Großhandel mit Nä- geln und anderen Geschmeidwaren zu spezialisieren. Dazu verkaufte Koller seine bisher in of- fenen Gwerb geführte Handlung (Kramladen) 548 an seinen Bedienten Johann Winterl, 549 woge- gen fünf Steyrer Handelsmänner jedoch protestierten. Adam Leopold Pichler, 550 Johann Derfflmayr, 551 Nicodemus Forster, 552 Hans Josef Willensperger und Johann Josef Schmid be- schwerten sich beim Magistrat Steyr gegen diesen Verkauf und dass Koller nun gesonnen seye, sich auf die Geschmöd= und Naglhandlung zubegeben . Die Handelsmänner befürchteten, Kol- ler könnte Winterl den Detailhandel mit Tuch- und Spezereiwaren eine Zeit lang weiterführen lassen und es sich vorbehalten, diesen wieder von ihm zurückzuholen. Darauf deutete aus Sicht der Handelsleute vor allem hin, dass Koller zwar die Handlung, nicht aber das Haus an Winterl verkauft habe. Deswegen forderten sie den Magistrat auf, von Koller eine schriftliche Ver- pflichtung einzuholen, auf die Handlung nicht mehr zurückzukommen. Weiters sollte Winterl 547 StA Steyr, Stadtratssitzung (26.7.1707), Regal 1, Stadtratsprotokolle, Bd. 114 (1707), fol. 125. 548 Die Bezeichnung „offenes Gewerbe“ steht in enger Verbindung mit dem Detailhandel bzw. Kramladen: „we- niger häufig belegt, aber ebenfalls aus der bedeutung von commercium erwachsen ist die verbindung offenes ge- werbe, die den detailhandel insbesondere kennzeichnet: offenes gewerbe, kram und laden“; siehe G RIMM / G RIMM , DWB, Bd. 6, Sp. 5510. 549 Johann Friedrich Winterl entstammt einer Hammergewerken-Familie zu St. Gallen, die lange Zeit in Diensten der IHG stand und in Wildalpen (Bezirk Liezen) ansässig war. Matthias Ferdinand Winterl war Oberhammerver- walter zu Reichraming und später Werksverweser zu Wildalpen. Er starb 1743 im 88. Lebensjahr nach 55-jähriger Ehe mit Barbara Winterl (gestorben 1735). Aus der Ehe gingen 14 Kinder hervor – eines von ihnen war Johann Friedrich, der später Kaufmann in Steyr werden sollte. Sein Bruder Jakob war übrigens von 1740 bis 1742 Haupt- buchhalter zu Eisenerz; siehe P ANTZ , Beiträge, 302 f. 550 Von 1723 bis 1733 gehörte Adam Leopold und Maria Anna Pichler das Haus Stadtplatz Nr. 19 / Ennskai Nr. 25, worauf sich eine radizierte Eisen- und Geschmeidhandlungsgerechtigkeit befand. Von 1731 bis 1733 war Adam Leopold Pichler Stadtrichter von Steyr. Er starb am 2. Mai 1733 im Alter von 60 Jahren; siehe P RITZ , Beschrei- bung, 388; K RENN , Häuserchronik, 143. 551 Johann und Felicitas Derfflmayr gehörte von 1690 bis 1740 das Haus Engegasse Nr. 9 / Ennskai Nr. 5, worauf eine radizierte Tuch-, Seiden- und Spezereihandlungsgerechtigkeit lag. Der Handelsmann war von 1734 bis 1740 Bürgermeister von Steyr; siehe K RENN , Häuserchronik, 168. 552 Nicodemus Forster war bis 1720 Besitzer des Hauses Engegasse Nr. 20 / Ölberggasse Nr. 5 (Gasthaus zum goldenen Horn, auch Gasthaus zum Posthorn oder Gösser Bierstüberl). Auf dem Haus lag eine radizierte Wirt- und Leutgebschaftsgerechtigkeit sowie eine radizierte Landkutschergerechtigkeit. Ihm und seiner Frau Eva Ka- tharina (verwitwete Paumgarttner) gehörte außerdem das Haus Stadtplatz Nr. 5 / Ennskai Nr. 20, auf dem eine radizierte Tuch-, Seidenzeug, Spezerei- und Materialhandlungsgerechtigkeit lag. Offenbar außerdem eine radi- zierte Tuch-, Seiden- und Schnittwarenhandlungsgerechtigkeit. Forster hatte das Bürgerrecht auf diese Handlung bekommen; siehe ebd., 83 u. 150. Teilung der Handlung

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2