Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 97 - Die unglaubliche Menge von 988 Metzen (60.749 Liter) unterschiedlicher Getreidesorten (Weizen, Korn, Hafer) und Hülsenfrüchte (Wicken) waren wohl nicht nur zur Ernährung der im Haus lebenden Menschen gedacht, sondern zum Teil auch zur Versorgung der Pferde und Kühe im hauseigenen Stall, 543 denn Hafer und noch viel mehr Wicken waren klassische Futter- pflanzen. 3.1.3 Die Geschäftsbereiche Die Inventur von 1712 gibt außerdem den Vorrat an Textil-, Spezerei- und Steyrer Gschmeidt - Waren aus, wovon die schwerpunktmäßige Ausrichtung des Handelsgeschäfts in seiner An- fangsphase abgeleitet werden kann: Wie sein Vorgänger Schäffler war Johann Josef Koller zu- nächst stark auf den Handel mit Textilwaren konzentriert, wovon er im Jahre 1712 Waren im Wert von rund 16.492 Gulden lagernd hatte. Demgegenüber standen Geschmeidwaren im Wert von rund 6.023 Gulden und Spezereiwaren zu rund 2.948 Gulden. 544 Diese Güter verkaufte Koller höchstwahrscheinlich in seinem Ladengewölbe am Stadtplatz Nr. 11, welches erstmals 1712 in einer Stadtratssitzung indirekt Erwähnung fand. Darin heißt es, dass der Handelsmann Johann Josef Koller 7 Gulden und 26 Kreuzer aus der Stadtkasse für die an die gemeine Stadt Steyr abgegebene Ladenware erhalten habe. 545 Das sehr breite Sortiment im Jahr 1712, das drei höchst unterschiedliche Produktgruppen umfasste, ist insbesondere interessant, da Kaiser Leopold I. im Jahr 1701 bereits ein Hofdekret zur Gewerbeteilung in Steyr erlassen hatte. Er kam damit der Bitte des Bürgermeisters, Richter und Rats von Steyr nach, die doppelte Gewerbeausübung abzuschaffen, wozu die Trennung der Handelsleute in zwei Klassen dienen sollte: Geschmeidwaren- und Nagelhandlungen durften nur mit geschliffenen und rauhen Waren sowie Nägeln aller Sorten handeln – nicht aber mit Tuch-, Seiden- und Spezereiwaren. Bei Zuwiderhandeln sollten die verbotenen Waren konfis- ziert und eine Strafzahlung von 100 Reichstalern verhängt werden. Dasselbe galt umgekehrt für die Tuch-, Seiden- und Spezereiwarenhandlungen, die nur mit den entsprechenden Waren so- wie kostbaren, ausländischen Weinen handeln sollten. Ähnliche Bestimmungen betrafen Wirte und Weinhändler, Bierbrauer, Schiffmeister, Floß- und Holzhändler sowie Handwerksleute. Einzig diejenigen, die zwei Häuser mit zwei verschiedenen Gerechtigkeiten besaßen, sollten weiterhin zwei Gewerbe oder Handlungen ausüben dürfen. 546 Obwohl das Dekret am 11. April 543 Am Stadtplatz Nr. 11 gab es nachweislich Stallungen, siehe Kapitel „4.3.1.1 Stadtplatz Nr. 11 / Ennskai Nr. 23 (1707–1888)“ ab S . 342. 544 StA Steyr, Inventar und Quartalsbilanzen (31.12.1712), Kasten XII, L4/3 FIV 1–27 Nr. 19. 545 StA Steyr, Stadtratssitzung (12.2.1712), Regal 1, Stadtratsprotokolle, Bd. 119 (1712), fol. 33 r. 546 Österreichisches Staatsarchiv, Hofdekret die Gewerbs-Abtheilung in Steyr betreffend (11.4.1701), AT-O- eStA/HHStA StK Patente 13–75. Sortiment 1712 Gewerbeteilung

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2