Die oberösterreichische Messerindustrie

89 Es war das Bestreben der Messerfabriken ein komplettes Besteck in den Handel zu bringen. Der Ausbau der maschinellen Einrichtungen erlaubte es diesen Industriebetrieben, allerdings erst nach dem 1. Weltkrieg, eine eigene Gabelerzeugung größeren Stils aufzunehmen. Hiedurch wurden unsere heimischen Messerfabriken zu Besteckfabriken im modernen Sinne. E. Die Löffelerzeugung: Die Löffelerzeugung lag sowohl dem Handwerk der Messerer als auch den frühen Sehneidwaren- fabriken ferne. Es war dies alleinige Domäne der Metallwaren- und Silberwarenfabriken, die als einzige Betriebe bis zum Jahre 1930 ein vollständiges Besteck, bestehend aus Messer (der Klingenbezug er- folgte von Messerfabriken), Gabel und Löffel in den Handel brachten. Die Messerfabriken waren und sind noch in unserer Zeit alleinige Lieferanten der Besteck- und Metallwarenfabriken, da diese ihren Bedarf an Klingen bei der Messerindustrie decken müssen. Im Laufe der Zeit wurden aus den Messer- fabriken Besteckerzeuger, so dass sich auf dem Markt eine eigenartige Doppelfunktion jener Fabriken ergab, die Lieferanten und Konkurrenten zugleich gegenüber den Metallwarenfabriken waren. Das unterscheidende Kriterium zwischen Messer- und Besteckfabriken einerseits und bloßen Be- steckfabriken andererseits liegt im Vorhandensein einer eigenen Klingenerzeugung. Ist diese gegeben, so trifft der Ausdruck "Messerfabrik" zu. F. Der erste Weltkrieg und die oberösterreichische Messerindustrie. Der erste unselige Weltenbrand brachte weitgehend die oberösterreichische Messererzeugung zum Erliegen. In Steyr kam es zum Totaleinsatz aller Arbeitskräfte in der "österreichischen Waffenfab- rik". Während der 4 Kriegsjahre erzeugte jener Betrieb 3 Millionen Gewehre, 235.000 Pistolen, 40.000 Maschinengewehre und 20 Millionen Stück Waffenbestandteile . 1 Es erscheint verständlich, dass neben dieser kriegswichtigen Rekordproduktion alle anderen Ferti- gungen eine fast vollständige Einstellung erfuhren. Dazu rief der Kaiser doch den Großteil seiner männ- lichen Landeskinder zur letzten großen Schlacht der ruhmreichen alten Armee, Die Hack-Werke in Steyr stellten die Erzeugung völlig ein, da der Geschäftsführer Josef Hack und der Großteil der Arbeiter Kriegsdienst leisteten. Ähnlich erging es den anderen Betrieben unserer Branche, lediglich die Werke, die dem "Kriegsleis- tungsgesetz" unterstellt worden wären, fabrizierten im großen Umfang. So der Betrieb Otto Christ in Neuzeug, der mehr als 250 Arbeiter und Angestellte beschäftigte und mit der Herstellung vonMannschaftsesszeugen, Steigbügeln, Karabinerhaken und anderen Gegenstän- den, die der Armee dienten, betraut war. 4.) Die oberösterreichische Messerindustrie im Kampf um ihre Existenz. (1920-1928) A. Allgemeine wirtschaftliche Verhältnisse in der Schneidwarenindustrie Steyrs und Umgebung nach dem 1. Weltkrieg: a.) Neues Beginnen im engen Raum. Das Ende des ersten Weltkrieges stellte die oberösterreichische Schneidwarenindustrie vor schwere Aufgaben. So mussten stillgelegte Betriebe wieder in Gang gebracht, Armeeausrüstungsge- genstände durch normale Produktion ersetzt werden. Dazu kam, dass sich infolge des Zusammenbruches der Donaumonarchie bezüglich Rohstoffbe- schaffung und Absatz der Fertigprodukte wesentliche Umwälzungen ankündeten. In den ersten Nachkriegsjahren jedoch gab es Arbeit in Hülle und Fülle, es galt entstandene Bedarfs- lücken zu schließen und den dringendsten Nachholbedarf zu befriedigen. Dann aber, als die überstei- gerte Inlandkonjunktur nachließ, als die Währung stabilisiert werden konnte, war echte Unternehmer- initiative erforderlich, um der Zeit gewachsen zu sein. Manche Betriebe, die fast ausschließlich den Binnenmarkt der Monarchie beliefert hatten, verloren infolge neuerrichteter Zollschranken den Großteil ihrer Absatzgebiete; gelang es nicht, Auslands- märkte zu gewinnen, war ihr Schicksal besiegelt. Als Lebensfrage der heimischen Schneidwarenindustrie erschien somit die Ausweitung des 1 a.a.O., Meixner, S. 290.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2