Die oberösterreichische Messerindustrie

83 Scharnstein und Losenstein ihre Erzeugungsstätten hatte. Das Hauptgewicht der Erzeugung lag auf dem Sensensektor. Im Jahre 1914 wurden täglich allein in Scharnstein 4000 Sensen, 1500 Blattsi- cheln und 5000 Zahnsicheln erzeugt. Im Laufe der Zeit kam es zu einer Erweiterung des Produktions- programms. In Losenstein, der "Perle des Ennstals", und im benachbarten Lausagraben waren seit alters her Messerer zu Hause, die allerdings nie die Bedeutung ihrer Berufskollegen in Steyr oder Steinbach er- reichten. Die aufkommende Industrialisierung raubte auch diesen Menschen die notwendige Existenz- grundlage, viele von ihnen fanden in der im Jahre 1903 erbauten Losensteiner Taschenfeitelfabrik Be- schäftigung. Dieses Werk war eine Gründung dar Firma "Simon Redtenbacher seel. Wwe. u. Söhne" und wurde im Laufe der Zeit modern eingerichtet. Friedrich Blumauer, der Inhaber dieses Unternehmens, errichtete im Jahre 1908 in Linz eine Mes- ser- und Scherenfabrik, die während des ersten Weltkriegs Bajonette, Dolchmesser und Pioniersäbel erzeugte. 36 Jahre hindurch war Friedrich Blumauer Chef und Leiter der Redtenbacher'schen Werke. Er ar- beitete ständig an der Ausgestaltung seiner Betriebe, in denen mehr als 1000 Arbeiter und Angestellte tätig waren , 1 davon ca. 40 in Losenstein und ca. 200 in der Linzer Messer- und Scherenfabrik. Das Er- zeugungsprogramm umfasste, soweit es unsere Branche betraf: Messer- und Gabelklingen für feine Essbestecke, Stahlbestecke, Essbestecke von der einfachsten bis zur feinsten Ausführung, Haushalt- und Küchenmesser, Messer für gewerbliche Zwecke und Taschenfeitel. 4. Die Trattenbacher Zaukerlerzeuger: Der Vollständigkeit halber sei auf diese rein gewerbliche Erzeugung von Taschenmessern mit Heiz- griff verwiesen. Im reizenden Engtal des Trattenbaches, eines Nebenflusses der Enns, am Fuße des fünfgipfeligen Schobersteins, finden wir schmucke kleine Häuser und überall klopfen seit Jahrhunderten die kleinen Hämmer, welche die billigen "Taschenfeitl", auch "Zaukerl" genannt, erzeugen. Diese Industrie ist so alt wie der Ort selbst, wird schon in Urkunden im 14. Jahrhundert erwähnt und im 17. Jahrhundert waren die damals "Scharsachmeister" genannten Messererzeuger schon so zahlreich, dass sie sich von der benachbarten Steinbacher Innung trennten und 1680 eine eigene Innung gründeten, welche im 18. Jahrhundert mächtig aufblühte. Da auch Frauen und Kinder "einarbeiteten", so kann man sagen, dass die ganze Bewohnerschaft dieses Tals durch die Messererarbeit ihren Lebensunterhalt fand. Diese Erzeugung ist übrigens die einzige in unserer Branche, welche sich, auf gewerblicher Basis, bis ins 20. Jahrhundert erhielt. Als Abnehmer traten und treten wirtschaftlich unterentwickelte Länder in Asien und Afrika in Erscheinung. 2 B. Die alte Monarchie als wirtschaftlicher Großraum: Viribus unitis — Einigkeit macht stark — dieser Leitspruch der altehrwürdigen Habsburgermonar- chie kennzeichnete weitgehend das wirtschaftliche Gefüge des untergegangenen Vielvölkerstaates, insbesondere dann, wenn man sich die wirtschaftspolitischen Gegebenheiten jenes Staatengebildes vor Augen hält. Österreich-Ungarn umfasste um die Jahrhundertwende als flächenmäßig zweitgrößter Staat Europas einschließlich Bosnien und Herzegowina insgesamt 677.000 Quadratkilometer mit rund 51 Millionen Einwohnern. Kein anderer Staat Europas stellte sowohl geographisch als auch wirtschaftlich eine derart geschlos- sene Einheit dar wie die Monarchie, welche an 4 Hauptgebirgssystemen, den Alpen, dem deutschen Mittelgebirge, den Karpaten und dem dinarischen Bergland samt dazwischen liegenden fruchtbaren Ebenen, wie an 3 Klimazonen Anteil hatte. Nicht weniger als 13 Völkerschaften fanden hier ihre Sied- lungsgebiete und die Donau samt ihren Nebenflüssen vom Inn bis zur Theiss und zur Drau bildete seit alters her den wichtigsten Handelsweg zwischen Orient und Okzident, wobei insgesamt 1307 Kilome- ter allein auf österreichisch-ungarischem Gebiet von Passau bis Orsova zur Verfügung standen. 3 1 a.a.O., Österreichs Industrie, Bd. 1, O.Ö., S. 141. 2 a.a.O., Österreichs Industrie, Bd. 1, O.Ö., S. 75. 3 a.a.O., Meixner, S. 223.

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