Die oberösterreichische Messerindustrie

77 b.) Erste Steyr'sche Messer-, Stahl-, Eisen- und Metallwarenfabrik Joachim Winternitz Neffen. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zeitigten mangelnde Aufträge eine Entlassungs- welle in der Waffenfabrik. Dies bot der Messerbranche eine neuerliche Chance, die von Karl Schulz und Josef Stein genützt wurde. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Joachim und Samuel Winternitz nach Steyr, 2 Israeliten, die aus Tutschapp, Bezirk Sobieslau, Böhmen, gebürtig waren. Diese eröffneten eine Gemischtwaren- handlung. 1 JoachimWinternitz spezialisierte sich auf den Eisen- und Messerhandel, er erwarb am 7. Dezember 1882 eine Messerergerechtigkeit. 2 Bei seiner vielseitigen Tätigkeit wurde Winternitz weitgehend von seinen Neffen Karl Schulz und Josef Stein unterstützt. Letztere gründeten am 16.1.1883 eine O.H.G. "Joachim Winternitz Neffen" und nahmen unter der Firma "1. Steyr'sche Messer-, Stahl- und Metall- waren-Fabrik" auch die Erzeugung von Messern auf. Am 12.9.1885 wurde der fabrikmäßige Betrieb angemeldet 3 mit dem Standort in Steyr, Aichet Nr. 464 und am Hammerschmiedberg Nr. 1, 3, und 13. Dieses Unternehmen wurde, zu einer führenden Erzeugungsstätte der modernen Messerindustrie. Die Pfeife war das allbekannte Geschäftszeichen dieser Firma, deren Erzeugnisse in viele Länder gin- gen, insbesondere wurde der ungarische Markt geliefert . 4 Diese Messerfabrik konnte lange Zeit hindurch als Musterbetrieb angesehen werden — man holte sich In kluger, vorausblickender Weise Fachleute aus Solingen, welche als Werkmeister die moderne technische Ausgestaltung des Werkes durchführten. Selbst der um die Messererzeugung hochver- diente Direktor der Steyrer Fachschule, Gustav Ritzinger, unternahm für diese Firma eine Reise nach Solingen und brachte wertvolle Erkenntnisse betreffs maschineller Produktion mit nach Hause. Das Unternehmen kam zur schönen Blüte, war während des ersten Weltkriegs Heereslieferant und beschäftigte zu dieser Zeit mehr als 140 Arbeiter und Angestellte. Der Firma Winternitz, der in der ersten Zeugstatt 3 Fluder zu eigen waren, (Fluder-Wasserrecht am Wehrgrabenkanal in Steyr, Zeugstatt Nr. 1 — Wehrgrabengasse Nr. 1, heute Hack-Werke) gelang es, während des ersten Weltkriegs eine andere Messerfabrik aufzukaufen. Es handelte sich hiebei um die Firma Wurmfeld. Bereits im Jahre 1886 erwarben Moritz und Emma Wurmfeld von Elisabeth Winternitz das Gewerbe der bürgerlichen Messerergerechtigkeit , 5 der fabrik- mäßige Betrieb wurde um das Jahr 1907 aufgenommen, um das Jahr 1914 konnten gegen 70 Beschäf- tigte gezahlt werden. Dieses Werk wurde also der ersten Steyr'schen Messerfabrik einverleibt, welche zur besseren Entfaltung ihrer kommerziellen Tätigkeit in Wien I., Bäckerstr. 18, eine Geschäftsstelle gründete. c.) Josef Hack, Messerfabrikant in Steyr. Nun folgt die Darstellung des Werdegangs einer Firma, die heute zu den größten Unternehmungen der Schneidwarenbranche Österreichs zählt, der Hack-Werke in Steyr. Dieser Betrieb ist in unserer Zeit der einzige, der die uralte Tradition der Steyrer Messererzeugung zum Ruhme der alten Eisenstadt hochhält. Vielleicht mag ein strenger Kritiker nicht damit einverstanden sein, dass die Erzeugungsstätte Josef und Johann Hacks schon in der Frühzeit der Messerindustrie als Fabriksbetrieb dargestellt wird. Sicher, Ausgangspunkt war der Gewerbebetrieb des Messerschmiedmeisters Josef Hack doch die- ser wuchs eben in allmählicher, kontinuierlicher Entwicklung über die engen Schranken einer alten Meisterwerkstätte hinaus. Man machte sich die modernen Errungenschaften der Technik zu Nutze, Maschinen beschleunigten den Arbeitsprozess, mehr und mehr Arbeitnehmer wurden in den Betrieb eingegliedert. Gleich einem langsamen, organischen Wachstumsprozess formten sich die ersten Kon- turen einer werdenden Fabrik, einer Fabrik, die, wenn sie heute voll ausgelastet wird, vielen hunderten 1 Register für Einzelfirmen, Steyr, 1/2. 2 Gewerbe Rg. Steyr, Z. 15628/1882. 3 Gewerbe Rg. Steyr, Z. 9928/1885. 4 a.a.O., Öst. Industrie, Ob.Öst. 1925. S. 167. 5 Magistrat Steyr, Registratur, Kaufvertrag vom 30. Aug. 1886.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2