Die oberösterreichische Messerindustrie
76 begünstigt durch die dort fehlende Konkurrenz der Steyrer Waffenfabrik. Die nähere Schilderung des Werdegangs dieser ersten Messerfabriken folgt im nächsten Kapitel. Die letzten Handwerker fristeten noch einige Zeit lang ein Schattendasein, indem sie lokale Bedürf- nisse befriedigten, dann schlug auch ihre Schicksalsstunde. Vorbei war für immer die Zeit der alten Meister, die so viel zum Ruhme der Eisenstadt Steyr beitru- gen, verklungen für immer der alte Handwerksspruch der Eisenhandwerker: "Lehre mit Lust, was Du gelernt hast". 3.) Aufkommen der Messerindustrie und deren Entwicklung bis zum Ende des ersten Weltkrieges. A. Erste Fabriksgründungen: Erst nach dem Entstehen der Werndlschen Waffenfabrik kamen andere, kleinere Fabriksbetriebe im Raume von Steyr auf. Diese deshalb, weil erst die 1867 eröffnete "Kronprinz-Rudolf-Bahn" die not- wendigen Rohstoff- und Absatzbasen näher rückte. Durch die Senkung der Transportkosten konnte der Konkurrenz auswärtiger Unternehmungen ent- gegengetreten werden. Das Kardinalproblem, dem alle Betriebe in Steyr gegenüberstanden, war in der übermächtigen Kon- kurrenz der Waffenfabrik auf dem Arbeitsmarkt gegeben. In Zeiten der Hochkonjunktur bot dieser Mammutbetrieb immer höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Ein Hinströmen der Arbeit- nehmer war die naturgegebene Folgeerscheinung. Wie sehr eine weitgehende Streuung des Industrie- potentials von Vorteil für den Industriebezirk Steyr gewesen wäre, zeigte sich in der Zeit, als die Waf- fenfabrik unterbeschäftigt war. Hunger und Elend kehrte bei den Menschen ein, die mangels Gelegen- heit keine andere Arbeitsstätte finden konnten. Um dieser übermächtigen Konkurrenz der Steyrer Waffenfabrik zu entgehen, verlegten manche Unternehmer ihre Fabriksgründungen in das weitere Hinterland unserer alten Eisenstadt. In Sierning, Neuzeug, Grünburg und Steinbach a. Steyr finden wir die ersten fabrikmäßigen Betriebe unserer Branche. Diese Werke konnten an alte Tradition des Messererhandwerks anknüpfen, welches ja seit uralter Zeit nicht nur in Steyr, sondern auch in den vorhin genannten Orten beheimatet war. Gelernte Messerer und Schmiede fanden Arbeit in den neuen Betrieben. a.) Messerfabrik Ludwig Werndl's Nachf. Den ersten Versuch der Gründung einer Messerfabrik in Steyr unternahm LudwigWerndl. Er erwarb 1873 in Zwischenbrücken das Müllerhaus und des Wasserwerk. 1 Gemeinsam mit Robert Schott, dem ehemaligen Bürochef der Waffenfabrik, gründete Ludwig Werndl dort und in der 3. Zeugstätte, dem späteren Objekt 11 der Waffenfabrik (Wehrgrabeng. 9) eine Messerfabrik. Die Firma wurde am 16.2.1876 in das Gesellschaftsregister 1/31 eingetragen und ging schon am 11.2.1880 wieder in Liquidation, da der Gesellschafter Robert Schott gestorben war. Am 27.8.1880 wurde die Löschung beantragt. Die Entwicklung des Unternehmens dürfte also nicht allzu günstig verlaufen sein. Interessanterweise eröffneten 2 ehemalige Angestellte Ludwig Werndls, der gewesene Werkführer Johann Mach und der gewesene Buchhalter Josef Dworczak in Steinbach a. d. St. eine Messerfabrik unter dem Namen "Ludwig Werndls Nachfolger" . 2 Damit wählten sie einen Standort, der in Bezug auf Arbeitskosten für den Betrieb wesentlich güns- tiger lag. Steinbach wies zu dieser Zeit zahlreiche Facharbeiter auf. Das Lohnniveau war durch das stän- dige Zurückgehen der handwerklichen Produktion auf einen Tiefpunkt angelangt. Diese Firma erwuchs zu einer bestrenommierten Messerfabrik, beschäftigte zeitweise mehr als 100 Leute und lieferte auch ins Ausland. 1903 wurde das Unternehmen infolge Ablebens des Hr. Josef Dworczak in eine Einzelfirma umge- wandel t 3 und bestand als eine solche bis in die 30 er Jahre des 20. Jahrhunderts. 1 a.a.O., Willner Annalen, S. 698. 2 Gesellschaftsregister, Steyr, 1/48 am 7.6.1881. 3 Register für Einzelfirmen, Steyr, 11/23.
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