Die oberösterreichische Messerindustrie

75 Messers ohne Schmiedearbeit erreicht wird. 1 In Steyr stand allen Mitgliedern der Messerergenossenschaft das Recht zu, die der Fachschule angeschlossene Klingenschmiede zu benützen. Für Material und Arbeitslohn musste der einzelne Meister aufkommen, die Arbeitsaufsicht unterlag einem Werkmeister der Fachschule, Kraftstrom und Maschinen wurden umsonst beigestellt. Viele notwendigen Werkzeuge wurden in der Fach- schule selbst hergestellt. 2 Es spricht für die Rückständigkeit und Interesselosigkeit der Steyrer Messerer, dass nur 2 Meister von der Genossenschaftsklingenschmiede Gebrauch machten. Es war dies der Meister Obermayer, der billige Taschenmesser erzeugte, und der Großvater des Verfassers dieser Dissertation, Josef Hack, der wohl als einziger Meister in Steyr den Übergang zum Fabriksbetrieb fand und um die Jahrhundertwende bereits ca. 30 Arbeitnehmer beschäftigte. Dadurch hat die Genossenschaftsklingenschmiede zumindest in einem Falle ihre eigentliche Aufgabe erfüllt, das alte Handwerk in die neue Zeit zu führen. Die nähere Darstellung des Werdegangs der Firma Hack erfolgt im nächsten Hauptabschnitt dieser Schrift. Josef Hack war bis zu seinem Tode im Jahre 1907 Vorsitzender der Messergenossenschaft. Im Jahre 1907 stellte die Steyrer Genossenschaftsklingenschmiede beispielsweise ca. 123.000 Stück Tafel- und Dessertklingen, dazu 450 Knicker her (Jagdmesser) . 3 90 % aller dieser Erzeugnisse für Rechnung des damaligen Witwenbetriebes Josefa Hack. Mit Ende des ersten Weltkriegs schloss die Genossenschaftsklingenschmiede für immer ihre Tätig- keit, die neuen Messerfabriken verfügten über eigene, maschinelle Schmiedeanlagen. Wir sehen, dass die staatliche Wirtschaftspolitik im ausgehenden 19. Jahrhundert weitgehend auf eine Förderung und Erhaltung des Handwerks der Eisenarbeiter in Oberösterreich ausgerichtet war. Im Rahmen der in derselben Zeit gegründeten Handels- und Gewerbekammern erwuchs eine Standes- vertretung der Wirtschaftstreibenden, die mit viel Plan die Interessen ihrer Mitglieder wahrnahm. So finden wir öfters Protokolle über Sitzungen der Oberösterreichischen Handelskammer, die der Lage der notleidenden Eisen- und Stahlhandwerker gewidmet waren. Alles war umsonst. Aus den schon näher untersuchten Gründen gingen die Messerschmiede mit Riesenschritten ihrem Ruin entgegen. Der Rückgang der Meisterwerkstätten erscheint geradezu katastrophal, eine Darstellung für den Bereich der Stadt Steyr gibt folgendes Bild: 1859 1860 1875 1880 1886 1901 1905 1909 1914 Messerer: 59 55 43 41 17 15 14 11 9 Klingenschmiede: 10 6 6 4 1 4 — — — — 5 Allgemein betrachtet kennzeichnet ein völliger Zusammenbruch das Messerschmiedhandwerk die- ser Epoche. Es kam in Steyr zu keiner Überleitung des manuellen Handwerks in die maschinelle Erzeu- gung. Lediglich ganz wenigen Meistern gelang es, in kontinuierlicher Entwicklung den Gewerbebetrieb zur Fabrik auszubauen. In Steyr war es allein Josef Hack, dem mit Hilfe der maschinellen Genossenschaftsklingenschmiede dieses Unterfangen gelang. In der Umgebung Steyr gelang es einzelnen Meistern ihren Betrieb fabrikmäßig auszuweiten, 1 Laut Mitteilung des Hr. Prok. Ing. Josef Hack jun. 2 Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender, 1909, S. 170. 3 Laut Mitteilung des Hr. Dir. Josef Hack sen. 4 a.a.O., Pfeil, Die Notlage der Kleineisenindustrie. 5 aus den Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalendern, 1901 – 1914.

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