Die oberösterreichische Messerindustrie
74 nachdem sie bei der Londoner Weltausstellung 1851 einen günstigen Start hatten. Jedes Mal regnete es Medaillen und Auszeichnungen aller Art. 1 1854 - 1856 finden wir Steyrer Messerer bei den Industrieausstellungen in London und Paris. Der Meister Anton Heindl erlangte die erste Klasse Medaille für Messerwaren, die zweite Klasse Medaille ging an die Messerschmiedeinnung von Steyr für Messerwaren, an die Meister Matthias Eigruber und Johann Stuckhart für Messerschmiedwaren . 2 Auf der internationalen Ausstellung in London, 1862, finden wir neuerlich österreichische Stahl- undMesserschmiedwaren. Als Standort der österreichischen Eisenwarenindustrie sprach man imMes- sebericht von den Tälern dar Enns, Ybbs und Erlaf, mit den Hauptorten in Oberösterreich: Steyr und Losenstein, in Niederösterreich: Scheibbs und Waidhofen. Die österreichische Jahresproduktion wurde mit mehr als eineinhalb Millionen Dutzend Tischmes- ser und Gabeln angegeben, dazu 50.000 Dutzend Rasiermesser, der Wert der jährlichen Produktion mit 12 Millionen fl österreichischer Währung, der Beschäftigtenstand in dieser Industrie mit fast 25.000 Arbeitern. Als Absatzgebiete erwähnt die Messeliteratur neben der Monarchie Italien, die Donaufürstentü- mer, die Levantestaaten, Russland, Deutschland und die USA. Fabrikanten, Gewerke und Exporteure des Industriebezirkes Steyr stellten ihre Waren 1862 in Lon- don und auch meist später in Kollektivausstellungen aus. Der Umsatz pro Jahr an Stahlwaren wurde im Raume von Steyr mit 5 - 6 Millionen fl angegeben . 3 Angeblich betrug damals der Gesamtstahlverbrauch für Deutsch-Österreich in Bezug auf Messer schmiedbaren pro Jahr 45.000 Zollzentner. (1 Zollzentner = 50 kg.) Die Wiener Weltausstellung 1873 stand im Zeichen schwerer wirtschaftlicher Krisenerscheinungen, unter denen auch unser damals sowieso schon geschwächtes Handwerk zu leiden hatte. Trotzdem finden wir eine Kollektivausstellung Steyrer Messerschmiede, zu denen sich Händler und Meister aus Neuzeug, Sierninghofen und Steinbach gesellten. Die Messerergenossenschaft zu Trattenbach, einem Seitentale der Enns, führte ihre Holztaschenmessererzeugung vor, die damals jährlich ca. 5 Millionen Messer produzierte . 4 Noch einige Male treten uns in den folgenden Jahren die Namen einiger Steyrer Messerschmiede auf internationalen Ausstellungen entgegen. Allmählich aber erlahmte die Kraft unserer Meister, weil es eben an der Grundvoraussetzung, an der modernen maschinellen Messererzeugung mangelte. Bis es in späteren Jahrzehnten der aufkommenden Messerindustrie neuerlich gelang, Geltung und Anse- hen in der internationalen Schneidwarenbranche zu erhalten. 4. Sonstige Hilfsmaßnahmen des Staates bestanden in der Zuwendung von Maschinen und Klingenstahl an das notleidende Hand- werk. Ferner wurden erprobte Werkmeister von Seiten der Obrigkeit zur Einführung der Maschinen- arbeit angestellt und bezahlt. Insgesamt wurden Mittel im Werte von ca. 100.000 Gulden von der Re- gierung über das Handelsministerium aufgewendet. Daraus wurde die der Fachschule angeschlossene Genossenschaftsklingenschmiede in Steyr, eine weitere mechanisierte Schmiede in Kleinraming, eine moderne Schleife in Neuzeug b. Steyr und eine solche in Steinbach / Grünburg errichtet. In letzterem Ort entstand ein modernes Innungsgebäude, welches neben der nach Solinger Art ein- gerichteten Schleife eine sog. Stanzerei beherbergte, die der Herstellung geschnittener Klingen aus dem eben aufkommenden konischen Stahl diente. Hiebei handelt es sich um eine Art Bandstahl für die Messererzeugung, dessen wesentliches Merk- mal darin besteht, dass eine Abschlusskante stärker ist als die andere, ein Schnitt daher einen Kegel- stumpf ergibt, (rarer die Bezeichnung). In der Verarbeitung kommt nun der Rücken der Messerklinge auf die dicke Seite, die Schneide hingegen auf die dünne Seite, sodass die erstrebte Keilform des 1 a.a.O., Meixner, S. 124. 2 Handelskammer Linz: "Jahresberichte", im Eigenverlag, S. 66 u. 67, Archiv der H. K. 3 Arenstein J.: "Österreich auf der internationalen Ausstellung in London", Wien 1862. 4 1873, Wiener Weltausstellung, Amtlicher Katalog, Gruppe 7, Metallindustrie, S. 220, Bibliothek Handelskam- mer Wien, I.
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