Die oberösterreichische Messerindustrie
71 erschreckende Abnahme der Eisen- und Stahlhandwerker kennzeichnet diese Zelt, die später noch ge- nauer detailliert wird. Ein Moment sei noch näher beleuchtet. Die einsetzende Sozialgesetzgebung des Staates gewährte den Fabriksarbeitern Schutz und gewisse soziale Fürsorge im Krankheits- und Unfallsfall. All dies fehlte den notleidenden Gewerbetreibenden, sodass gleichsam eine psychologische Unter- grabung des Handwerkerstandes einsetzte. Wir sehen also, dass die kürzere Arbeitszeit, die genau festgelegt war, höhere Löhne, bestimmte soziale Sicherheiten, Freiheit von patriarchalischer Hausuntertänigkeit bei den Unselbständigen als Gründe für das Hinströmen der Arbeitskräfte in die Österreichische Waffenfabrik in Frage kommen. Andererseits ermöglichte die Pionierleistung Josef Werndls der Stadt Steyr und dem dazugehörigen Industriebezirk ein neues Aufblühen, so dass der Niedergang der Kleineisenerzeugung hiedurch neutralisiert werden konnte. So blieb unsere alte Eisenstadt Steyr auch im Zeitalter der Maschine ein wertvoller Aktivposten der Volkswirtschaft, wo nach wie vor Eisen zum Wohle unserer größeren Heimat Österreich verar- beitet wurde. Das verhältnismäßig späte Aufkommen der ersten inländischen Messerfabriken um das Jahr 1880, worüber in einem späteren Kapitel dieser Arbeit noch eingehend zu berichten sein wird, wirkte sich weiters für das Handwerk ungünstig aus. Die Schönheit, Gleichmäßigkeit und Billigkeit der maschinel- len Erzeugnisse waren von Anfang an Faktoren, denen des Gewerbe nichts Gleichwertiges entgegen- zustellen hatte. Zu diesen Gründen, die für den Niedergang des Messererhandwerks innerster Linie bestimmend wa- ren, kamen noch solche, die sich aus der allgemeinen wirtschaftlichen Lage der Monarchie ergaben. Der Verlust der Absatzgebiete in der Lombardei und Venetien durch Abtretung dieser Landesteile an Italien, die schlechten Justiz- und Kreditverhältnisse im Orient und im polnischen Raum, all dies trug mit zum Rückgang unseres Handwerks bei. Dazu kam noch der mangelhafte Markenschutz der damaligen Zeit. 1 Das Krisenjahr 1873 raubte so manchemMeister die Existenzgrundlage, der billige Eisenbahntrans- port machte die Überlegenheit der ausländischen Konkurrenz in ihrem ganzen Gewicht fühlbar, ver- bunden mit der Aufhebung des Schutzzollsystems. Die Anzeichen mehrten sich, aus denen zu erkennen war, dass die Zeit des alten Messerer- und Klingenschmiedehandwerks abgelaufen war, aber noch war den Meistern eine kurze Gnadenfrist gegeben. c.) Der Existenzkampf des Handwerks, Hilfsmaßnahmen. Der Staat, dem durch Jahrhunderte reiche Steuergelder durch den Fleiß der Eisen und Stahl verar- beitenden Gewerbetreibenden zugeflossen waren, der den Wert eines bodenständigen Handwerks, welches im Laufe einer bewegten Geschichte so vielen Menschen Arbeit und Brot gegeben, sehr wohl zu schätzen wusste, versuchte durch eine Reihe von Hilfsmaßnahmen das Gewerbe der "Eisenarbeiter" am Leben zu erhalten. 1. Untersuchung der Lage durch Regierungsbeamte : Studien über die Verhältnisse im Industriebezirk Steyr wurden im Auftrage des Handelsministeriums angestellt. R. v. Bazant und Prof. Leop. R. v. Hauffe erstatteten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts umfassende Berichte über die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der Steyrer Eisenindustrie . 2 Bazant sah in seinen Ausführungen nur bei der Messerindustrie die Möglichkeit einer gedeihlichen Zukunft. Die Erzeugung anderer Sparten, wie Nägel, Ahlen etc., sei auf maschinelle Art weit billiger und ebenso gut herzustellen, dieses Handwerk habe also seine Lebensberechtigung verloren. Die Messerindustrie habe deshalb eine Zukunft, weil hiebei die Handarbeit unentbehrlich sei. Die wichtigeren Arbeitsphasen im Erzeugungsprozess eines Messers, wie "Schleifen, Zusammensetzen" 1 a.a.O., Rolleder, S. 86. 2 Huber Josef: "Bericht des Comites für Gewerbe-Angelegenheiten betreffend die vom k.k. Handelsministerium angeregte Einleitung einer Hilfsaktion für Messerindustrie im Bezirk Steyr", erstattet in der Plenarsitzung der Oberösterreichischen Handel-, Industrie - und Gewerbekammer, Linz, 8.8.1888 Stadtmuseum Steyr.
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