Die oberösterreichische Messerindustrie

67 Maniago etc. Die schon erwähnte Aufhebung des Schutzzollsystems sowie die billigen Frachtspesen durch den Übergang von der Straße zur Schiene führte dazu, dass unsere Handwerksmeister der ganzen Härte der modern, arbeitenden ausländischen Konkurrenz ausgesetzt waren, bis dann später durch das Auf- kommen inländischer fabrikmäßiger Messererzeugung das Messerschmiedhandwerk seine Existenz- berechtigung restlos verlor. 2. Rückständige Erzeugungsmethoden, sowohl in den Eisen- und Stahlwerken als auch in den Betrieben der Handwerker: Wie schon ausgeführt vermochte das alpenländische Eisenwesen infolge seiner Zersplitterung und konservativen Verhüttungsmethoden im 19. Jahrhundert nicht den Anschluss an die Weltwirt- schaft zu finden. Bis gegen 1850 wurde Roheisen fast ausschließlich unter Anwendung von Holzkohle gewonnen, so dass durch die Eisenverhüttung gewaltige Waldbestände der Axt zum Opfer fielen. Erst die Heranzie- hung von Steinkohle und eine weitere Reihe wichtiger Erfindungen, welche wesentliche Arbeitserleich- terungen bedingten, ermöglichten im Eisenhüttenwesen den Übergang zur industriellen Massenpro- duktion im neuzeitlichen Sinne. Beispielsweise erforderte die Umwandlung von ca. 5 Tonnen Roheisen in schmiedbares Kommer- zeisen in der alten "Herdfrische" noch etwa eineinhalb Wochen, im "Puddling-Prozess" eineinhalb Tage, in der "Bessemer-Anlage" nur mehr zwanzig Minuten. 1 Daraus ergibt sich, wie sehr die eisenver- arbeitenden Betriebe Österreichs unter der rückständigen Grundstofferzeugung litten, die erst durch die Alpine-Montan-Gesellschaft den Anschluss an den Welt-Standard fand. Die Roheisenproduktion der Innerberger-Hauptgewerkschaft betrug zwischen 1625 bis 1836 trotz der Vielzahl der Betriebe jährlich nur ca. 90.000 Zentner, um 1850 jährlich ca. 230.000 Zentner. Erst als an die Stelle der unzähligen Erzeugungsstätten wenige moderne Hochöfen traten, war für die, konsumnahen Betriebe der Eisen- und Stahlbranche die Möglichkeit gegeben, preislich und quali- tätsmäßig den Anschluss an das Internationale Niveau zu finden. Es war eine tragische Fügung des Schicksals, dass in der Zeit des Existenzkampfes des Handwerks der Messerschmiede der entsprechend billige Grundstoff fehlte, der in anderen Ländern längst federn verhüttet wurde. Es mag ein Charakteristikum der kleinen und mittleren Gewerbetreibenden sein, dass sie mit gro- ßer Zähigkeit an den altüberlieferten Formen festhalten. Diese Grundeinstellung kann in vieler Bezie- hung wertvoll für Staat und Volk sein, insbesondere dann, wenn diese alteingesessenen, besitzesstol- zen Bürger durch eine gesunde konservative Haltung der Nation eine gewisse politische Beständigkeit verleihen. Anders verhält es sich auf dem wirtschaftlichen Sektor. Dort muss der Wirtschaftstreibende mit der Zeit gehen, will er nicht unter die Räder kommen. Das Handwerk der Messerer war durch Jahrhunderte geworden, es war ein allmähliches Sachsen aus dem Mittelalter in die Neuzeit, geprägt von Würde und Wert des Meisterstandes und der alten Zunftordnung. Unzählige Generationen hindurch blieb die Technik der Messerfertigung unverändert. Ein Meister übernahm mit einer Werkstätte gleichsam das handwerkliche und ideelle Erbe seines Vorgängers, das es zu erhalten galt. Abgeschlossenheit, nicht Aufgeschlossenheit war der Leitspruch unserer Handwerker, die jeder Neuerung kritisch und zweifelnd gegenüberstanden. Wie sollte sich die Mehrzahl dieser Menschen einer Zeit anpassen, die in wenigen Jahrzehnten alles bisher Gekannte in der technischen Fertigung auf den Kopf stellte? Die Maschinen erschienen vielen als gefährliche Monstra, denen es auszuweichen galt. Vielfach fehlten auch die Betriebsmittel zu ent- sprechenden Investitionen. Man versuchte durch gesteigerte Arbeitsleistung, durch Einschränkung der persönlichen-Ausgaben die Lage zu meistern, alles vergeblich. Die Technik des Mittelalters versagte, weil sie versagen musste. Es war ein Kampf mit ungleichen Waffen. Der Siegeszug der Maschine nahm seinen Lauf und mähte erbarmungslos die vielen kleinen Handwerker hinweg, die wahrhaft im Schweiße des Angesichts ihr Dasein fristeten. 1 a.a.O., Meixner, S. 141.

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