Die oberösterreichische Messerindustrie

65 Kulturepoche köstlichster deutscher Eigenart hatte ihr Ende gefunden. 1 Wie lagen nun die Verhältnisse in der Stadt Steyr ? Das 19. Jahrhundert brachte nach Überwindung der Franzosenkriege einen beachtlichen Aufstieg unseres Handwerks. Das Silbergeld wurde mit Agio gehandelt, was dem Export sehr zu statten kam, da nun die heimischen Erzeugnisse auf Grund des niedrigen Auslandkurses der Währung konkurrenzfähi- ger geworden waren. Am 3. Mai des Jahres 1842 wurde fast ganz Steyrdorf ein Raub der Flammen, der behördlich erho- bene Schaden belief sich auf 551.491 fl. 40 kr. So schrecklich das Unglück und so trostlos wie Lage der davon betroffenen Eisenarbeiter war, so großartig war die Hilfe, die den Betroffenen zuteilwurde. Der zerstörte Stadtteil wurde in Kürze solid und feuerfest wiederaufgebaut, die Messerer hatten bessere Werkstätten denn je zuvor. 2 Die Handwerksmeister übten ihr Gewerbe noch immer in altüberkommener Weise aus. Sie waren durch nichts zu bewegen, Neuerungen einzuführen, obwohl in anderen Ländern die Maschine in un- serer Branche schon längst ihren Siegeszug angetreten hatte. Lediglich der Umstand, dass in Österreich lange Zeit hindurch keine maschinelle Messererzeugung bestand, gönnte dem Handwerk eine letzte Atempause. Auch Kriege und politische Wirren lahmten zeitweise die Tätigkeit der Handwerker, 1848 und 1850 war der Export weitgehend unterbunden. Teuerungen unterbanden weitgehend größere Abschlüsse . 3 Nach Willners Analen waren im Jahre 1848 nach 50 Messerer und 10 Klingenschmiede in Steyr tätig. Somit verkörperte unsere Branche noch immer den stärksten Gewerbezweig der Stadt, dessen Exis- tenz allerdings weitgehend vom Export abhängig wer. Um den Außenhandel zu erhalten, versuchte das Messererhandwerk die Preise für Holzkohle zu senken, da diese neben dem Eisen das wichtigste Rohmaterial der Feuerarbeiter war. Dementsprechend wurde 1850 eine "Kohlenkommunität" gegrün- det, die allen Feuererbeitern billigen Bezug von Holzkohle sichern sollte . 4 Das Problem konnte mit dem Kohlenpreis nicht gelöst werden, nur eine Rationalisierung der Erzeu- gung, die Inbetriebnahme von Kraft- und Arbeitsmaschinen als Energiequellen, eine Senkung der Transportkosten und eine Reduzierung der Eisen Stahl- und Kohlenpreise mit gleichzeitiger Qualitäts- verbesserung hätte Wandel schaffen kennen. Die Zeit schritt rastlos fort, das Schutzzollsystem wurde aufgehoben, die letzte Phase des Existenz- kampfs der Messerschmiede begann, der Niedergang des Handwerks war unaufhaltsam. b.) Die Gründe für den Niedergang des Handwerks dar Messerschmiede im Raume von Steyr 1. Konkurrenz des modern arbeitenden Auslands : Im 18. Jahrhundert dominierte eindeutig die englische Klingen- und Messererzeugung in Sheffield, Die Vorrangstellung, die die britischen Eisen- und Stahlproduktion lange Zeit innehatte, gewährte der eisenverarbeitenden Industrie große Vorteile. Frühzeitig bildeten sich in der Klingen- und Messerbranche industrielle Betriebe, in denen maschi- nell produziert wurde. Gegen die schrankenlose Ausnützung der Arbeitnehmer in der Zeit der liberalen Wirtschaftsauffassung wandten sich die "Trade-Unions", schwere Lohnkämpfe hinderten im 19. Jahr- hundert den weiteren Ausbau der Schneidwarenerzeugung. Trotzdem waren englische Stahlwaren lange Zeit sowohl in qualitativer Beziehung als auch in Bezug auf die Preislage führend. In Österreich galten englische Schneidwaren immer als Spitzenprodukt, rief man doch Fachleute aus dem Lande Albion in unsere Lande, die die bodenständige Erzeugung verbes- sern sollten. Den britischen Erzeugnissen erwuchs im 19. Jahrhundert in unserem Nachbarlande Deutschland eine machtvolle Konkurrenz, der es gelingen sollte, zumindest auf dem mitteleuropäischen Markt, 1 Goldbacher Gregor: "Aus der Entwicklungsgeschichte der Messerindustrie in Oberösterreich", in : Österreichs Industrie. Bd. 1, Oberösterreich, 1925 S. 72 ff. 2 a.a.O., Rolleder, S. 163. 3 Willner Stefan: "Annalen" (1. Jänner 1839 - März 1885). Manuskript: St. A. Steyr, S. 139. 4 a.a.O., Willner, S. 310.

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