Die oberösterreichische Messerindustrie

63 Unfallverhütungsmaßnahmen anzuordnen. Die Inspektoren berieten die Handwerker in fachlicher Be- ziehung und sorgten für einen entsprechenden Erfahrungsaustausch. Novellen zur Gewerbeordnung führten unter anderen zu einer Ordnung des Genossenschaft- und Lehrlingswesens . 1 Dementsprechend gelangten in Oberösterreich 443 handwerkliche Genossenschaften zur Grün- dung, 1890 unterschied man bereits 84 Fachgenossenschaften, 322 Genossenschaften für Gruppen verwandter Gewerbe und 260 Kollektivgenossenschaften. Für den Gegenstand dieser Dissertation ist die Genossenschaft der Messerer in Steyr von Bedeutung. Der Handwerker fand in der Genossenschaft auf neuer Basis jene Gemeinschaft, die seit dem Nie- dergang des Zunftwesens fehlte. Der gemeinsame Einkauf von Rohstoffen, die in der Menge billiger waren, sowie der gemeinsame Verkauf der Produkte im In- und Ausland wirkte sich vorteilhaft aus. Die Genossenschaften konnten auch die Rechte ihrer Mitglieder viel energischer vertreten, als frü- her der einzelne Gewerbetreibende es konnte. Meisterkrankenkassen, Sterbekassen und Verbandskrankenkassen seien als Ergebnis der Tätigkeit der Genossenschaften erwähnt. 2 Für einzelne, besonders hart ringende Gewerbezweige gelang es, Hilfsaktionen durchzuführen, so etwa die noch näher zu erwähnende Genossenschaftshilfe für die Messerschmiede im Bezirk Steyr. Ein Umschichtungsprozess, nicht so sehr ein Niedergang, kennzeichnet das Handwerk um die Jahr- hundertwende. Schwer waren aber die Umwälzungen in den eisen- und metallverarbeitenden Gewerben. Die Mes- serschmiede sanken in Oberösterreich von 345 auf 147 Betriebe ab, die sich auch nur sehr mühselig am Leben erhielten, häufig mit Handel gekoppelt. Angesichts der technischen Entwicklung kamen die Drahtzieher etwa völlig zum Erliegen. Andere Sparten erlebten einen großen Aufstieg, so die Maschi- nenbauer und Mechanikermeister. Allgemein betrachtet konnte das Handwerk im 19. Jahrhunderte trotz eines tiefgreifenden Struk- turwandels seine starke Position in der österreichischen Wirtschaft behaupten, wobei die in einigen Gewerbegruppen entstandenen Verluste durch das Aufblühen anderer Gruppen, wie durch das Ent- stehen neuer Handwerkszweige ausgeglichen werden. 3 Zum Teil löste fabrikmäßige Erzeugung den Handwerksbetrieb ab, so in der Messerbranche. H. Niedergang des Eisen- und Stahlhandwerks im Industriebezirk Steyr: a.) Allgemeine Zustände im Messerschmiedhandwerk. Nach den Franzosenkriegen kennzeichnet ein erfreulicher Aufstieg das Wirtschaftsleben im Indust- riebezirk Steyr, Handel und Gewerbe blühte in der Zeit des Vormärz. Messerer und Klingenschmiede waren nun formell im Messerschmiedhandwerk vereint, praktisch aber hingen die Meister mit wenigen Ausnahmen an dem fest, was sie von ihren Vätern gelernt und übernommen hatten. War es doch immer das Bestreben der konservativen Vertreter des Handwerks, ja nichts Neues einzuführen. Dazu kam allerdings, dass die Schmiede vom Unterwald (am Demberg bei Steyr) und von Kleinraming kaum in der Lage waren, die Organisation des Absatzes selbst in die Hand zu nehmen. Hiezu benötigten sie die Messerer als Auf- bzw. Verkäufer ihrer Waren. Im Jahre 1834 gab es von 40 Klingen- und Gabelschmieden nur 4 Messerschmiede, darunter auch der Urgroßvater des Schreibers dieser Dissertation, Adam Hack. Wie verfuhr nun das Schicksal mit diesen Meistern? Die Zeit von 1820-1850 war den Messerschmieden günstig, es gab viel Arbeit und sehr guten Ver- dienst. Oft konnten die einzelnen Meister den Bestellungen nicht nachkommen, ja es kam soweit, dass die Messerer den Schmiedfrauen vorpassten, wenn sie die Klingen zur Stadt transportierten, um 1 a.a.O., Meixner, S. 200. 2 a.a.O., Meixner, S. 200. 3 a.a.O., Meixner, S. 210.

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