Die oberösterreichische Messerindustrie
62 Allgemein fehlte es an positiven Vorschlägen, wie das Handwerk in die neue Wirtschaftsform ein- zugliedern wäre. Mit Protesten allein war die Entwicklung der Zeit nicht mehr aufzuhalten. Die alten Meister verwünschten die neumodischen Einrichtungen, andere lebten in den Tag hinein, die meisten warteten das kommende Geschehen ab. Niemand wollte sich zu einer positiven Initiative aufraffen. 10 Jahre brauchte das Handelsministerium, um die Gewerbeordnung des Jahres 1859 auszuarbei- ten, die auf dem Grundsatz der Gewerbefreiheit basierte. Man hoffte, dass die Einführung der Gewer- befreiheit die Stagnation überwinden helfe und neue, tüchtige Menschen dem Handwerk frischen Im- puls verleihen würden. Vorerst stieg die Zahl der Betriebe in Industrie, Handwerk und Handel sprung- haft an. So mancher Geselle, Hilfsarbeiter oder Commis fühlte die Berufung, als selbständiger Gewerbetrei- bender seinen Weg zu machen. Oft fehlte dann die nötige fachliche Bildung, das erforderliche Kapital und der entsprechende Kredit zur Einrichtung neuer Werkstätten. Ein großer Teil dieser Selbständigen kehrte in Bälde in den Kreis der Arbeitnehmer zurück. Das Jahr 1861 wies den höchsten Stand an Handwerksbetrieben auf, schon 1862 war die Tendenz rückläufig, im Jahre 1866 gab es bereits weniger Werkstätten und Handelsläden als in der Zeit vor Einführung der Gewerbeordnung, 1875 existierten um 7442 Betriebe weniger als im Jahre 1861 . 1 Es ist allerdings zu bedenken, dass gerade in dieser Periode die, fortschreitende Industrialisierung mit der damit verbundenen maschinellen Erzeugung vielen Handwerksbetrieben die Existenzgrund- lage raubte. Die Entwicklung in den einzelnen Gewerbezweigen verlief keinesfalls einheitlich. Da und dort kam es zu Niedergangsperioden, dann kamen wieder Jahre der Erholung. Gewisse Handwerksgruppen wa- ren von anhaltenden oder vorübergehenden Hochkonjunkturen begünstigt. In anderen Sparten bahnte sich eine Konzentration auf weniger zahlreiche, aber größere Betriebe an. So auch in den Eisen- und Stahl verarbeitenden Gewerben. Allgemeine Krisen, wie nach den verlorenen Kriegen gegen Ita- lien und Preußen, Lebensmittelverteuerungen oder Börsenereignisse trugen das ihre dazu bei, um zeit- weise die Situation des Handwerks triste zu gestalten. So lange es irgendwie ging, hielten unsere Handwerksmeister durch und trugen so durch, Erhaltung eines gesunden Mittelstandes mit dazu bei, dass Österreich den großen sozialen Umschichtungspro- zess im Wege der Evolution und nicht durch Revolution meistern konnte. Dieses historische Verdienst unserer Gewerbetreibenden kann nicht genügend gewürdigt werden. Einige Gewerbearten, die den Erfordernissen der Zeit nicht entsprachen oder in denen die Moder- nisierung aus welchen Gründen immer versäumt wurde, hörten auf zu bestehen. Dazu zählten wohl auch unsere Messerer und Klingenschmiede, die den Übergang zur Maschine nicht mitmachten und hiedurch ihre Existenzberechtigung verloren . 2 Andererseits erwachte bei vielenMeistern der Wille zum Kampf um die Existenz, der hin und wieder von der Obrigkeit gefördert wurde, nicht zuletzt, um sich die vielen Steuerträger zu erhalten. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes brachte jenen Gewerben, die früher ihre Haupteinnahme von den Fuhrleuten hatten, schwere Einbuße. Schlimm wurde es für das Handwerk am Lande, da nun der Konkurrenz der leistungsfähigeren Betriebe in den Städten Tür und Tor geöffnet wurde. Dem Konsumenten wie dem Händler stand nun eine bequeme und billige Fahrtgelegenheit zur Verfügung, was viele dazu bewog, ihre Einkäufe in der Stadt zu erledigen, wo es billiger war, noch, dazu bei größerer Auswahl . 3 Der Großhandel in den Städten profitierte insofern durch die Bahnen, weil er durch Vertreter seine Fertigwaren bis in die entlegensten Dörfer bringen konnte. So trat der Wettbewerb zwischen Industrie und Handwerk immer fühlbarer in Erscheinung. Besser und billiger zu produzieren war der Ruf der Zeit, wozu eine bessere Schulung des Nachwuchses nur allzu notwendig erschien. So kam es zur Gründung von Gewerbe- und Fachschulen, unter anderem auch in Steyr. Die 1883 geschaffene Gewerbeinspektion hatte nicht nur die Arbeitszeit zu kontrollieren und 1 a.a.O., Meixner, S. 71. 2 unveröffentlichte Chronik der Familie Hack. 3 a.a.O., Meixner, S. 199.
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