Die oberösterreichische Messerindustrie

61 ab. Noch heute trägt der Großteil dieser Firmen dazu bei, dass österreichischer Edelstahl am Welt- markt anerkannt ist. Der Ruf und das Ansehen, das die österreichische Messer- und Besteckindustrie im Rahmen der internationalen Schneidwarenerzeugung genießt ist nicht zuletzt ein Verdienst der hervorragenden heimischen Qualitätsstahlerzeugung. Die tiefgreifende Umwälzung, die die Eisen- und Stahlgewinnung im 19. Jahrhundert erfuhr, teilte sich auch den eisenverarbeitenden Betrieben mit. Das Zeitalter der Maschine setzte sich mit jäher Ve- hemenz durch und verdränge die vom Handwerksgeist und Handwerksfleiß gestaltete Epoche. Unzählige Betriebe entstanden, wer den Anschluss an maschinelle Arbeit nicht fand, war dem Un- tergang preisgegeben. Kraft - und Arbeitsmaschinen wiesen als Energiequellen den Weg in eine neue Zeit. c.) Die staatliche Gewerbepolitik im 19. Jahrhundert, das Handwerk in Oberösterreich Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Oberösterreich eine, wahrhaft verwirrende Vielfalt von Handwerksarten, in mehr als 200 Sparten waren über 20.000 selbständige Gewerbetreibende tätig. Zu dieser Zeit existierten nicht einmal 100 fabrikmäßige Betriebe. So bestimmte das Handwerk um 1850 trotz der industriellen Anfänge durchaus noch den inneren Gehalt der oberösterreichischen Wirtschaft und bildete einen wertvollen Ausgangspunkt für die künftige Entwicklung. Die mittelalterliche Tendenz der Absonderung und Spezialisierung hatte strenger Zunftgeist bis in das vorherige Jahrhundert geführt. Beispielsweise gab es damals unter den 1836 Eisenverarbeitenden Schmieden nicht weniger als 18 streng voneinander unterschiedene Arten, wobei die erzeugten Pro- dukte für den Namen der Schmiede bestimmend waren. 1 So die Ahlen-, Hacken-, Pfannen-, Striegel-, die feinst ausgeführten Zirkel-, Nägel-, Ringe-, Bohrer-, Klingen-, Messer-, und Scherenschmiede. Zu dieser Zeit lebten in Oberösterreich 267 Nagelschmiede und 345 Messerschmiede . 2 Jeder der ca. 20.000 Gewerbetreibenden hatte seine besondere Aufgabe im Rahmen der Gesamt- wirtschaft zu erfüllen. Noch aus der Zeit des Mittelalters in Zünften, Innungen und Zechen vereint, waren diese Handwerker trotz der zunftfeindlichen Politik der letzten österreichischen Herrscher gleichsam letzte Zeugen einer bewegten Vergangenheit, die zähe an ihren eigenartigen Bräuchen, Sat- zungen und Regeln festhielten. Vielfach starr an Herkunft und Überlieferung gebunden, lehnten sie häufig alles ab, was mit Ma- schinen zusammenhing. Ferner bedeutete das Pfuscherwesen eine nicht unwesentliche Gefahr für den Stand der Hand- werksmeister . 3 Am 31. August des Jahres 1832 fand in Wien eine "Gewerbe-Enquete" statt, in der die Nöte und Sorgen des Handwerks behandelt wurden. Der erste Entwurf einer Gewerbeordnung wurde erarbeitet, in dem der einstige "Zunftzwang" nicht mehr enthalten war, gewisse Voraussetzungen wurden jedoch zur Erlangung einer Gewerbebefugnis gefordert: Mindestalter von 24 Jahren, Nachweis des Schulunterrichts und Absolvierung der Lehre, praktische Kenntnisse und unbescholtener Lebenswandelt. Die Parolen des Liberalismus wie "freies Spiel der Kräfte" oder "Gewerbefreiheit" passten keines- falls in die wohlgeordnete Handwerkswelt. Wohl wünschten die Gewerbetreibenden eine konstitutio- nelle Monarchie —dafür gingen sie auch auf die Barrikaden—ansonsten aber sollten ihre alten Rechte nicht angetastet werden. Dem ersten Reichstag 1848 ging eine von vielen tausenden Handwerkern Unterzeichnete Petition zu, welche folgende Sätze enthielt: "Gestützt auf die Erfahrung über die in früheren Zeiten bestandenen Gewerbeverhältnisse, legen wir alle insgesamt im vornhinein den Protest gegen eine allgemeine Freigebung der Gewerbe ein. Eine Freigebung der Gewerbe würde allen und jeden Verband aufheben, die Bürger zernichten und sie nie- mals in die Lage versetzen, einem bedrängten Staate beistehen zu können." 1 a.a.O., Meixner, S. 66, 68. 2 a.a.O., Meixner, S. 68. 3 a.a.O., Meixner, S. 70.

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