Die oberösterreichische Messerindustrie

59 "Floßofen" in der Steiermark konstruiert, in dem bereits in kontinuierlichem Betrieb flüssiges, hoch- gekohltes Roheisen erschmolzen wurde, welches in Form der sogenannten Flossen zum Absatz ge- langte. Diese Flossen mussten dann in den Hammerwerken, in "Frischherden" im Zuge eines Oxyda- tionsprozesses entkohlt und nach vorherigem Schweißen unter Hämmern auf fertiges Halbzeug "ausgestreckt" werden. Die Floßöfen wurden von Hochöfen verdrängt, bei der Raffinierung des Roheisens setzte sich der sog. Puddelprozess durch. Dieses Verfahren kam von England und basierte darauf, dass dem Lande wohl genügend Roheisen, aber zu wenig schmiedbares Eisen und Stahl zur Verfügung standen. 1 Dem Roheisen sollte der Kohlenstoff rascher entzogen werden als dies in den bisherigen "Frischfeuern" möglich war, um große Mengen an Eisen und Stahl herstellen zu können. Zugleich sollte die teure Holzkohle durch mineralische Kohle ersetzt werden. Hiebei wurde Roheisen in einem Flammenofen derart geschmolzen, dass keine direkte Berührung mit der Kohle eintrat. Das flüssige, aber immer zä- her werdende Metallbad wurde mit Stangen von den sog. "Puddlern" umgerührt, bis der Sauerstoff der Luft über die Bildung von Eisenoxyd dem Roheisen den Kohlenstoff entzogen hatte. Zurück blieb ein weiches Eisen, das an Güte dem bisher im Frischfeuer erzeugten Schweißeisen gleichwertig war. Um 1830 finden wir die ersten Puddelöfen in Österreich. Das Puddeln zählte wohl zu den anstren- gendsten aller hüttenmännischen Arbeiten. England war damals eindeutig im Eisenwesen führend. Henry Bessemer war es, der erstmals 1855 das vom Hochofen kommende Roheisen in flüssigem Zustand durch Einblasen von Luft, also ohne Zwi- schenschmelzung, teilweise oxydierte und damit den ersten "Windfrischprozess" erfand. Durch den Sauerstoff der eingeblasenen Luft wurden nämlich der Kohlenstoff und das Silizium des Roheisens oxy- diert und dadurch so viel neue Wärme erzeugt, dass ein dünnflüssiges, gereinigtes Material als Stahl oder Eisen resultierte, das auf Blöcke für die Weiterverarbeitung vergossen wurde . 2 Wenn auch die Erfindung Bessemers zu den genialsten der Eisenindustrie zählt, so hatte sie für England nicht die entsprechende Bedeutung, weil diesem Lande die reinen, d. h. phosphorfreien Erze mangelten. Hauptnutznießer waren die USA, in Österreich wurde das Bessemer Verfahren erstmals in Turrach angewendet. In Folge der Erfindung der Dampfmaschine (James Watt) und später der Dampflokomotive begann der Ausbau der Eisenbahnen, durch den ein rapides Ansteigen des Eisenbedarfes eintrat. Dazu kam hoch die allgemeine Industrialisierung, welche außerdem einen bedeutenden Alteisenanfall — den so- genannten Schrott — brachte. Die Pläne der Eisenhüttenleute waren darauf ausgerichtet, einen Schmelzofen zu bauen, der so hohe Temperaturen ermöglicht, dass auch Alteisen umgeschmolzen werden konnte. Der gemeinsamen Arbeit der Deutschen Wilhelm und Friedrich Siemens und der Franzosen Emile und Pierre Martin gelang es 1864 einen Regenerativofen zu bauen, bei dem durch Ausnützung der Abwärme das zugeführte Gas und die Luft soweit vorgewärmt wurde, dass im Ofen und im Metallbad Temperaturen bis über 1600 Grad erzielt werden konnten. In diesen "Siemens-Martin-Öfen" Wurde ein Herdfrischprozess geführt, der es ermöglichte, Fluss- eisen und Flussstahl zu erzeugen. In den 80 Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der Siemens-Mar- tin-Ofen mit Erfolg nicht nur für den Roheisenschrottprozess, sondern auch für den Roheisenerzpro- zess in Verwendung genommen. Flüssiges Roheisen wurde in den Martin-Ofen mit Schrott oder Erz in wechselnden Verhältnissen eingesetzt und verarbeitet. In Donawitz kam der Roheisenerzprozess, der noch heute dort betrieben wird, 1887 zur Einführung . 3 Die große Klippe für die Eisenverhüttung bestand in den phosphorhältigen Erzen. Wieder war es ein Engländer, der 28-jährige G. Thomas, der Abhilfe schuf. Während bei Bessemer die Grundlage in der Oxydation von Silizium mit Kohlenstoff gegeben war, war sie beim "Thomasprozess" auf Phos- phor und Kohlenstoff gestellt, wobei als Nebenprodukt die für Düngungszwecke so notwendige Thomasschlacke anfiel. Durch dieses Verfahren konnten die großen Erzlagerstätten des Minettegebietes in Frankreich, 1 Bergrat Dr. h.c. Hans Malzacher, "Österreichs Eisen in Vergangenheit und Zukunft", Wirtschaftswissenschaftli- che Gesellschaft für Oberösterreich, Linz, S. 9. 2 a.a.O., Malzacher, S. 10. 3 a.a.O., Malzacher, S. 11.

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