Die oberösterreichische Messerindustrie
58 war vom Schicksal dazu ausersehen, soziale Gedanken zu lebendigen Taten zu entfalten . 1 Die Arbeiterunfallversicherung wurde geschaffen, ferner die Krankenversicherung, die Gewerbein- spektorate, die tägliche Normalarbeitszeit wurde auf 11 Stunden beschränkt, die Überstundenentloh- nung festgelegt etc . 2 Viele dieser Regelungen erstreckten sich nur auf Fabriksarbeiter, was mit zur Ge- sellenabwanderung aus dem Gewerbe und Handwerk in die Industriebetriebe beitrug. Von Interesse ist, dass jene Betriebssparten, die am besten durchgearbeiteten Arbeitszeitregelun- gen und Lohnordnungen aufwiesen, in denen an alte Handwerkstradition angeknüpft wurde. So in den Sensenwerken, so in der Steyrer Waffenfabrik, wo sich das geistige Erbe Josef Werndls auswirkte, der selbst einem alten Handwerksgeschlecht entstammte. Ein Waffenmeister verdiente 120 Gulden im Monat, ein Maschinenschlosser 100, ein Fahrrad- schlosser 38 Gulden, der geringste Taglohn für einen Hilfsarbeiter betrug 1 Gulden, 20 Kreuzer. Als Vergleichsmöglichkeit sei angeführt, dass 1890 1 Semmel 2 Kreuzer, 1 Paar Würstel 8 Kreuzer, 1 Krügel Bier 10 Kreuzer, 1 kg Rindfleisch 70 Kreuzer kostete . 3 Wollte man einen Vergleich mit der Jetztzeit bringen, dann muss vorerst darauf hingewiesen wer- den, dass man mindestens 11 Stunden im Tage arbeiten musste, um oben angeführte Löhne zu erhal- ten. Heute 8 Stunden, dazu kommen in der Gegenwart die bezahlten Urlaubstage, die bezahlten Fei- ertage, die höheren Überstundenzuschläge, die Einbeziehung in die Arbeitslosen- und Altersversiche- rung, sowie in die ausgebaute Unfallversicherung. Sicher konnte sich ein Arbeiter in der damaligen "guten alten Zeit" wesentlich weniger leisten als heute. Es gab nur früher weniger Gelegenheit, das Geld auszugeben, auch waren die allgemeinen Ansprüche, die man an das Leben stellte, geringer. b.) Technische Umwälzungen im 19. Jahrhundert, die neue Eisen- und Stahlbereitung. Das moderne Zeitalter des Dampfes und der Elektrizität beginnt schon um 1750. 1752 erfand Ben- jamin Franklin den Blitzableiter, 1769 J. Watt die Dampfmaschine, 1780 entdeckte der Anatom Galvani am Froschschenkel die Berührungselektrizität, 1783 lassen die Brüder Montgolfier den ersten Luftbal- lon steigen. 1786 erstrahlt die erste Gasbeleuchtung. Dann kommt der Siegeszug der Eisenbahn, Stephenson baut Lokomotiven. Der elektrische Tele- graph macht die Welt kleiner, Ressel formt die Idee der Schiffsschraube. Es geht mit Riesenschritten weiter, die erste brauchbare Nähmaschine, der Anilinfarbstoff, der Pa- tentdocht für Kerzen, Morse, 1839 erfinden Niépce und Daguerre die Photographie, um 1840 finden wir die ersten Briefmarken. Werner von Siemens schafft mit dem dynamoelektrischen Prinzip die Grundlagen der modernen Elektrotechnik, der erste Bleiakkumulator wird konstruiert, die Schreibmaschine wird geboren, ferner die Edison'sche Glühlampe. Nicolaus Otto erfindet den Viertaktmotor, später kommt der Dieselmotor. Staunend hört die Welt von den Röntgenstrahlen, von den ersten Versuchen mit drahtloser Tele- graphie (Marcohi), von der Kinematographie, von Zeppelin und den Gebrüdern Wright, die Chemie beginnt ihren Siegeszug, das Jahrhundert der Atomkraft dämmert . 4 Diese rein demonstrative Aufzählung zeigt uns, welch eine Fülle technischer Neuerungen das ver- gangene Jahrhundert brachte. Auch die Eisen- und Stahlgewinnung war einer großen Umwälzung ausgesetzt, die für den Gegen- stand dieser Dissertation von wesentlicher Bedeutung erscheint. Wie bekannt, stammt seit eh und je der größte Teil des in Oberösterreich verarbeiteten Eisens vom steiermärkischen "Erzberg". Die Schmelzwerke, auch "Radwerke" genannt, die Verhüttungsbetriebe, die "Hammerwerke", und der Eisengrosshandel, die "Verleger", waren im Verein mit der Stadt Steyr in der "Innerberger Haupt- gewerkschaft" zusammengefasst. Diese "Gewerkschaft" von Unternehmern wurde bald vom Staat, bald aus eigenem verwaltet und 1808 vom "Montanärar" als Bergbaubehörde übernommen. Die Methoden des Erzabbaus und der Verhüttung wurden laufend verbessert. Das Sprengen, die Benützung von Förderbahnen gestatteten eine rationellere Gewinnung. 1762 wurde der erste 1 a.a.O., Meixner, S. 188. 2 a.a.O., Meixner, S. 194. 3 a.a.O., Meixner, S. 195. 4 Heinrich Kluth, Wunder in Stahl und Stein, Verlag Scherl, Berlin, S. 15.
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