Die oberösterreichische Messerindustrie

56 konnte der Kaufmann Bedürfnisse tausendfältiger Art befriedigen, durch Angebot neuer Warenarten neue Bedürfnisse schaffen, importieren, exportieren und es erscheint nur allzu verständlich, dass ge- rade der Handelsmann jedweden Zollschranken den Kampf ansagte . 1 Nach dem Ausgleich des Jahres 1867 ging die "Österreichisch-Ungarischen Monarchie", dieses an wirtschaftlichen Möglichkeiten überreiche Staatengefüge, nach Jahrzehnten der Unruhen und Kriege, endlich geordneten Verhältnissen entgegen. Schlagworte wie Liberalismus, Freihandel dominierten, alle Untertanenverhältnisse am Lande wa- ren beseitigt, damit aber auch manch wertvolle Bindung zerstört. Die radikale Beseitigung aller in Jahr- hunderten gewordenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bande öffnete dem sog. Gründungs- zeitalter Tür und Tor. Die Spekulation mit Wertpapieren galt als die billigste Art, Geld zu verdienen. Das Silbergeld wan- derte aus den Sparstrümpfen in die Taschen der Aktienagenten und von dort nach Abzug beträchtli- cher Provisionen in die Tresore von etwa 1000 damals in Österreich-Ungarn neugegründeten Aktien- gesellschaften, die teilweise lediglich auf dem Papier existierten. 2 Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 / 71 ergoss sich eine wahre Geldflut über die Länder der Monarchie, welche zum wesentlichen Teil aus den Kriegskontributionen Frankreichs an Deutsch- land bestand. Grund dafür war der hohe Zinssatz, der in Wien gezahlt wurde. 3 Nach einer wahrhaft hektischen Periode der Konjunktur und Spekulation sollte das Schicksalsjahr 1873 für die Österreichische Wirtschaft zu einem der bedrohlichsten und bewegtesten seit Anbeginn ihrer Entwicklung werden. Die Wiener Weltausstellung des Jahres 1873 war dazu ausersehen, einen Kulminationspunkt im Werden der österreichischen Wirtschaftskraft darzustellen. Die Steyrer Messerer, Schmiede und Büch- senmacher zeigten, wie so viele andere, ihre Erzeugnisse, die interessanterweise seit der Londoner Weltausstellung 1851 bei keiner derartigen Großveranstaltung fehlten. 4 Die glanzvollen Eröffnungsfeierlichkeiten der Weltausstellung fanden jedoch eine plötzliche Unter- brechung. Der 9. Mai 1873, als schwarzer Freitag in die Finanzgeschichte eingegangen, brachte einen jähen Kurssturz der meisten Wertpapiere, viele Banken stellten die Zahlungen ein. Ein großer Teil der Ersparnisse des Volkes war verloren. 40 % der Aktiengesellschaften wurden insolvent. 5 Bezeichnend für das damalige Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft war, dass der Staat selbst unmittelbar nach dem schwarzen Freitag auf den Lauf der Dinge fast keinen Einfluss nahm. Im Finanz- ministerium ließ man sich von dem Grundsatz "Laissez aller" leiten und wartete ab, wie sich die Wirt- schaft wohl selbst helfen werde. Der Finanzminister, Freiherr von Pretis, ging gerade zu der Zeit auf Urlaub, als die Kurse der Aktien ins Bodenlose stürzten und Armut bei so vielen einkehrte, die ihr Geld in nunmehr wertlosen Aktien angelegt hatten. Es mag ein Zeichen der gesunden Kraft sein, die in der österreichischen Wirtschaft wurzelt, dass es in kurzer Zeit gelange die Folgen dieses Gewitters zu überwinden. Im Besonderen ist es der k.k. Natio- nalbank, die 1878 in die Öst.-Ung. Bank umgewandelt wurde, zu danken, dass die Finanz- und Geld- wirtschaft wieder ins Rechte Geleise kam und Bargeld wie Leihkapital dort, wo es notwendig erschien, für produktive Zwecke immer zur Verfügung stand. 6 1879 wurde die traditionelle freie Ausprägung des Silberguldens eingestellt, 1892 erfolgte der Übergang von der Silber zur Goldwährung. Die Krone und der Heller trat als neues gesetzliches Zah- lungsmittel an Stelle der Gulden und Kreuzer. Auf diesen Grundlagen einer geordneten Geldwirt- schaft konnten in der Folge in engster Zusammenarbeit von Geldinstituten und Industrie, bzw. grö- ßeren Handelsgesellschaften wesentliche neue Vorstöße in wirtschaftlich bisher kaum erfasste Ge- biete des In- und Auslandes, nach Galizien, nach Ostungarn, nach Bombay und Brasilien, unternom- men werden, wobei die Initiative zu derartigen Aktionen teils von Bankleuten, teils von Industriellen 1 a.a.O., Meixner, S. 93. 2 a.a.O., Meixner, S. 118. 3 a.a.O., Meixner, S. 119. 4 a.a.O., Meixner, S. 124. 5 a.a.O., Meixner, S. 126. 6 a.a.O., Meixner, S. 133.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2